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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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höflichen Weg, zu fragen, woher er seine Blutvorräte bekam? Ich kannte ein paar Menschen, die ihm sicher helfen würden, wenn er es sich nicht länger leisten konnte, Blutkonserven von dubiosen Händlern an der Straßenecke zu kaufen.
    »Ja, Giuseppe?«, sagte ich.
    »Ich … habe ein Problem. Ich hätte Sie nicht damit belastet, aber ich habe Angst um meine Familie, und Sie sind die Einzige, die mir helfen kann.« Er hob den Blick. »Oder, vielleicht, helfen wird?«
    Ich ging einige Schritte weiter, bis ich vor ihm stand, und drückte kurz seine Hand. »Natürlich, Giuseppe. Seien Sie versichert, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht.«
    Erleichtert lächelte er. »Ja, das hatte ich gehofft … Hören Sie, Miss Hollis, als ich in dieses Land kam, war ich noch nicht das, was ich jetzt bin. Ich hatte eine Frau, die mir drei Kinder schenkte und unser viertes unter dem Herzen trug. Es war eine schwere Zeit, aber wir waren trotz allem glücklich. Und dann, eines Nachts, als ich spät aus der Fabrik kam, fanden sie mich …«
    Mein Hals fühlte sich mit einem Mal staubtrocken an. Ich hatte schon viele dieser Geschichten gehört, doch jede Erzählung traf mich von neuem tief. Daddy sagt immer, ich sei zu mitfühlend, aber das bin ich nicht. Er ist ein Dämonenjäger. Er spürt einfach zu wenig.
    »Wer?«, fragte ich.
    »Die Bande von jungen
Vampiri
, der Rinaldo freien Lauf lässt.«
    O Gott.
Genau wie bei dem kleinen Jungen, der, von Bisswunden übersät und wahnsinnig geworden, im Keller eingesperrt war. »Die
Turn Boys
«, sagte ich.
    Es war keine Frage, doch er nickte. »Sie haben mich gewandelt. Meine Frau hat versucht, damit zu leben, aber nach einem Jahr rannte sie davon. Sie sagten, das habe ich nun davon, keine gute Italienerin geheiratet zu haben. Ich brauchte Blut und Geld. Die Arbeit im Tunnel …« Er zuckte die Schultern.
    Ich hatte vergessen, dass er an dem neuen Tunnel arbeitete, der schon bald von der Canal Street nach New Jersey führen sollte. Ein guter Job für einen Vampir – auch für einen jungen, also einen noch nicht vor allzu langer Zeit gewandelten (und somit gegen Sonnenlicht widerstandsfähigen) Vampir wie Giuseppe. Nur verdiente er damit nicht annähernd genug für sich und seine vier Kinder.
    »Also bin ich zu Rinaldo gegangen«, fuhr er fort. »Ich habe für ihn ausgeliefert. Nur ein paarmal die Woche. Und er hat mir dafür Blut und Geld gegeben. Eine Zeitlang funktionierte es ganz gut, aber letzte Woche … Ich lieferte gerade etwas außerhalb seines Gebietes aus, als ein paar Kerle aus einer anderen Gang mich angriffen. Vermutlich die
Westies
, aber ich kann es nicht beweisen. Sie haben mir alles abgenommen. Rinaldo sagt, dass es ihm egal sei und ich ihm das Geld trotzdem schulde.«
    Wie ich diese Mafiabosse hasste, diese selbsternannten Könige der Nachbarschaft, die das Leben eines Mannes so eiskalt zerstören konnten. Als wäre es Giuseppes Schuld, dass eine rivalisierende Bande ihm die Lieferung gestohlen hatte.
    »Wie viel?«, fragte ich und fürchtete mich vor der Antwort.
    »Zweihundert Dollar.«
    Zwischen zusammengebissenen Zähnen atmete ich scharf ein. Das war mehr, als ich als Lehrerin in drei Monaten verdiente.
    »Ich habe einhundert«, sagte er, »aber ich muss mir den Rest leihen. Er sagt, er wird … meine Kinder …«
    Giuseppe war den Tränen nahe, und mir fiel auf, dass ich noch nie einen Vampir hatte weinen sehen. Ohne groß darüber nachzudenken, legte ich meine Hand auf seine und sah ihm fest in die unnatürlich klaren, blutleeren Augen.
    »Sie werden es schaffen, das verspreche ich Ihnen.« Ich griff tief in meine Tasche und zog einen kleinen Stapel zusammengefalteter Geldscheine hervor. Das Geld hatte ich an diesem Morgen vom
Bürgerrat
erhalten, der mir jeden Monat ein schmales Gehalt zahlte. »Hier«, sagte ich und drückte ihm die Scheine in die Hand, »das sind fünfzig Dollar. Wenn Sie in Zukunft Hilfe brauchen, hoffe ich, dass Sie entweder mich oder den
Bürgerrat
fragen … sogar
Tammany Hall
wäre besser gewesen als
Rinaldo

    Ich konnte mir nicht vorstellen, was in ihn gefahren war, dass er sich an den berüchtigten Schmuggler, Ausbeuter der
Anderen
und Gangster gewandt hatte. Er war immerhin dafür verantwortlich, dass die
Turn Boys
tun und lassen konnten, was sie wollten – und die
Turn Boys
hatten Giuseppes Leben zerstört.
    Giuseppe drückte die Geldscheine kurz an seine Wange und wandte sich dann ab, als wollte er sich

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