Moonsurfer
endlich sterbensmüde und völlig erschöpft vor ihrem neuen Zuhause am Strand von Sharkfin-Island.
In Stevens Zimmer; Vormittag, Sonnenschein
Am nächsten Tag weckt ihn die Sonne, deren warmes Licht von den Jalousien wie Toastbrot in Scheiben geschnitten wird. In Stevens Kopf summt es noch immer, als wäre der Fliegenschwarm der vergangenen Nacht in sein Hirn eingedrungen …
Das Ganze war doch nur ein wirrer Traum, mehr nicht , sagt er sich. Und vielleicht war es das wirklich: Ein Albtraum, der an einem sonnigen Morgen in einem Strandhaus am Meer keine Bedeutung mehr hat.
Ein Gecko, der keine Handbreit von seiner Nase entfernt auf dem Nachttisch sitzt, lässt Steven auf andere Gedanken kommen. Das kleine, handtellergroße Tierchen sieht aus dieser kurzen Entfernung aus wie ein riesiges Urzeitmonster. Plötzlich flitzt es nach links aus Stevens Blickfeld, um kurz darauf wieder an der dahinterliegenden Wand aufzutauchen. Das Tier hetzt quer nach oben und klebt dann plötzlich - zapp! - auf der Jalousie. Dahinter kann Steven Palmwedel im Wind tanzen sehen, durch die das Meer türkisblau blitzt. Im Glitzern der Wellen liegt die X-Plorer II, das Schiff seines Vaters.
Das Strandhaus duckt sich zwischen Fächerpalmen und Florida-Eichen am Ende der Oak-Street in die Dünen. Kein Ort für den Ernst des Lebens, doch Steven sind nur wenige völlig freie Tage in diesem Paradies gestattet: Seine neue Schule lauert bereits. Natürlich würde er die verbleibende Zeit am liebsten draußen auf der X-Plorer verbringen. Nicht um in der Nähe seines Vaters zu sein, wie er sich versichert, sondern um gemeinsam mit derMannschaft das Sonar zu beobachten oder vielleicht sogar einmal den Roboter zu steuern, der das Unterwasserauge der Besatzung an Deck ist. Steven will der Arbeit der Taucher zusehen, was er sich wesentlich spannender vorstellt als den Ausflug, den er mit seiner Mutter nach Sanibel-Island und Captiva machen muss. Denn seine Mutter hatte beim Frühstück angekündigt, ihm seine neue Heimat zu zeigen, beginnend mit den angeblichen »Muss-man-gesehen-haben-Inseln« weiter unten im Süden. Immerhin wird sie ihn im Gegenzug mit auf die X-Plorer nehmen, obwohl Ben Waves Anweisung gegeben hatte, niemanden, der nicht zur Crew gehört, an Bord zu lassen. Nicht einmal seinen eigenen Sohn.
Als dann der Tag, an dem Steven das Schiff betritt, endlich gekommen ist, achtet Ben Waves glücklicherweise nicht darauf, dass die Archäologin in Begleitung seines Sohnes erscheint. Denn an diesem Morgen ist die Mannschaft des Schatzjägers in heller Aufregung.
An Deck der X-Plorer II; Tag, klarer Himmel, Hitze
Ben Waves und seine Crew sind fündig geworden.
Als Steven das Deck der X-Plorer betritt, schwebt gerade eine korallenverkrustete Schiffsglocke an einem Kran über der Reling und senkt sich langsam in eine Wanne mit Salzwasser. Sie landet sanft neben zwei Kanonenrohren, die sich bereits darin befinden. Niemand interessiert sich dafür, dass Ben Waves’ Sohn an Bord des Schiffes eingetroffen ist.
Im Kreis der Mannschaft widmet sich Susan Waves sofort den drei Fundstücken. Die Kanonen könnten zu einer spanischen Galeone gehören, stellt sie fest, was schon an ihrer äußeren Form zu erkennen ist. Deshalb untersucht sie zunächst die verkrustete Glocke, die sie vorsichtig von ersten Ablagerungen freiklopft, bis eine grobe Gravur zum Vorschein kommt.
Schweigend starrt sie auf die Schriftzeichen.
»Dort steht …«, stottert sie kopfschüttelnd und unterbricht sich im nächsten Moment selbst, »… aber wie ist das möglich?«
»Na was schon?! Der Name des spanischen Schiffes, was sonst!«, blafft Ben Waves ungeduldig, aber die Wissenschaftlerin ist bereits damit beschäftigt, das kleine Stück befreiter Oberfläche mit einem Hämmerchen zu vergrößern, um weitere Buchstaben zutage zu fördern.
»Dort steht › BLACK ‹, Ben. Und wenn ich mich nicht irre, ist das nicht Spanisch, sondern Englisch!«, bemerkt sie trocken, während sie vorsichtig weiterarbeitet, um den vollen Schriftzug auf der Glocke sichtbar werden zu lassen.
Auf der X-Plorer ist es jetzt so still, als wäre die gesamte Mannschaft über Bord gefallen. Aber sie sind alle da, schwitzen, schweigen mit offenen Mündern und starren auf den Rücken von Susan Waves, die sich tief über das Fundstück beugt.
Die Archäologin pickt weiter, splittert Stück für Stück der Kruste ab.
Dann bewegt sie sich plötzlich nicht mehr.
»Und?«, brummt Ben Waves.
» BIRD
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