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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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gemeint? Das Haar war aus der Spange gerutscht, die Augen blinzelten im hellen Licht, das den Umriss ihres Körpers ins Wasser brannte. Wie sie da trieb, die Strähnen wie braune Algen um ihr Gesicht, mit plattem, perlmutternem Rumpf, die nach unten ragenden Glieder in der Verzerrung flossenartig, sah sie für einen Moment tatsächlich aus wie der weiße Rochen aus deinem Naturlexikon, lauernd auf Beute.
    Sie drehte sich auf den Bauch und blickte zum Ufer. Jetzt stand er zwischen den Binsen, zog die Shorts aus, gab sich keine Mühe, irgendetwas zu verbergen. Sein winterweißer Körper war vom Hals abwärts behaart, zwischen den Beinen das Schwarze, Buschige. Immer hattest du zu den Erlen schauen müssen, wenn die Mutter nackt war, doch jetzt hatte sich die Perspektive verkehrt. Deinen Platz hatte ein anderer eingenommen. Nur die Bäume kannten den Fehler im Bild. Sie standen schweigsam und wissend, du starrtest hin.
    Er stieg ins Wasser. Während er zu ihr hinausschwamm, spornte sie ihn an, rief Sätze, die dir angesichts der Stille, die stets über dem Teich geherrscht hatte, wenn du ihre Bahnen bewachtest, schamlos erschienen. Er umkreiste sie, haschte nach ihr, doch sie wehrte ihn ab, spielerisch und lockend, in einer Art Balztanz, bis er sie an den Waden packte, sich ihre Schenkel über die Schultern legte und sein Gesicht in ihren Schoß grub. Sie überstreckte den Kopf und tauchte die Stirn ein, ihr Lachen vergurgelte. Ein Erlenschatten schob sich von irgendwoher über sie. Die Bewegungen verwischten, hier schnellte ein Arm, dort ein Fuß hervor, Blasen stiegen auf. Als sie wieder ins Licht trieb, war er verschwunden. Ein paar Sekunden noch plätscherte sie, geschüttelt von letzten Lachstößen, keuchte: Prüfung bestanden. Dann verstummte sie und starrte in die Tiefe. Eine Armlänge neben ihr schwamm das Spiegelbild der Sonne, ein funkelnder weißer Fetzen.
    Es war jetzt so still, dass du glaubtest, sie könnte deinen Atem hören, das hämmernde Herz. Das Knacken eines Zweigs unterm Schuh verriet dich, doch sie schaute nicht herüber, schwamm nur auf der Stelle, wo einst der Ast gehangen hatte, und rührte den Sonnenstreifen ins Wasser, der sich nicht löschen ließ.
    Du spürtest dich erstarren. Hatte sie ihn unter Wasser gedrückt? Ihn dafür an den Teich gelockt, wie damals vielleicht auch deinen Vater? Und hatte nicht Karl Lambert, sondern in Wahrheit sie ihn auf dem Gewissen? Sie wollte keinen Mann, nicht bis ans bittere Ende. Niemand sollte sie erst auf Händen tragen und später, wenn sie alt und hässlich wäre, betrügen und verlassen. Also musste jetzt auch Daniel runter in den Schlamm. Schlagartig wurde dir klar, warum ausgerechnet der Baumstumpf dein Lieblingsplatz am Teich war; der Grabstein deines Vaters, so fügte sich nun alles in deinem Kopf zusammen, Rest einer Erle, die er gefällt hatte, als Zeichen für die Zukunft, das Glück seiner Familie. Ihr Ziel aber war es, frei zu bleiben, jung und schön; die Kerle sollten kommen, von ihr kosten und verschwinden, sobald das Fleisch bitter zu schmecken begann.
    Du warst noch nicht am Baumstumpf, als Daniel prustend aus dem Wasser schoss. Er kletterte ans Ufer, spuckte ein paar Mal aus, warf dir einen genervten Blick zu und keuchte: Was suchst du denn hier? Schnell hast du nach der Tasche gelangt und ihm das Handtuch gereicht. Er musste mehrmals durch den Teich getaucht sein, für ein, vielleicht sogar zwei Minuten, lang genug für einen Gedanken an seinen Tod. Marga schwamm zurück, stolperte durch die Binsen, stieß dich zur Seite und riss ihm das Handtuch weg. Sehr witzig, zischte sie, zerrte die Spange aus dem Haar und schleuderte sie ins Wasser. Dann schnappte sie seine Jeans und quetschte sich hinein. Als sie seinen Pullover überwarf, flappte sie dir den Ärmel ins Gesicht.
    He!, rief er und wirbelte sie herum. Sie versetzte ihm einen Schlag vor die Brust, der dumpf von den Stämmen hallte. Er stürzte ins Gras, blieb mit schiefem Grinsen liegen. Ist esdas, was du immer gewollt hast?, fuhr sie dich an, und nur wegen dieses Blicks, der weder dir noch ihm galt, sondern aufs Wasser hinausging oder in die Leere darüber, wo kein Ast mehr war, hast du später verstanden, warum sie noch am selben Tag begann, dieses Bild zu malen, auf dem die Erlenklaue dich im brennenden Teich ertränkt.
    Wie hast du es nur so lang mit ihr ausgehalten, hörtest du Daniel schnauben, während du ihr hinterherstarrtest, bis sie im Garten verschwunden war. Als du dich

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