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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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wenige Monate nach ihrer Anstellung im Modehaus von einem Kunden oder einem ihrer schnell wechselnden Liebhaber, die manchmal rauchend vorm Laden auf sie warteten, schwanger wurde, ein Dilemma, das Sianas wachsamen Augen nicht entgangen wäre, anders konnte sie, Marga, sich nicht erklären, warum die Argentinierin, wahrscheinlich aus Angst vor dem Rausschmiss oder einfach wegen Geldmangels, der es ihr nicht erlaubte, eine Professionelle wie die alte Pettersen aufzusuchen, selbst zur Stricknadel gegriffen hatte, allein zu Hause und betäubt von einem der starken Joints, die sie unentwegt, auch bei der Arbeit, rauchte.
    Durch die Droge von Gewissensbissen und Zweifeln befreit, hatte sie die Nadel in heißem Wasser abgebrüht, wie sie ihr, Marga, wenige Wochen nach ihrer Entlassung in einer Kneipe erzählte, beiläufig, als würde sie die Ratschläge einer Geübten weitergeben, die ihr Werkzeug sorgfältig präpariert, bevor sie es in sich einführt, auf einen Stuhl gespreizt, so Naranja weiter in ihrem Erfahrungsbericht, die Füße in zwei Stuhllehnen verkeilt und mit Gürteln festgezurrt, damit du im Reflex nicht die Beine schließt , und dannlangsam vortasten, du spürst das schon, wenn du da bist, sagte Naranja in ihrem starken, fast unverständlichen Akzent und inhalierte gierig den harzig duftenden Rauch. Aber mach’s richtig, sonst schmeißt sie dich auch noch raus, die alte Hexe, fluchte sie und meinte damit Siana, die für den zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt ihrer illegalen Angestellten auch schmerzhaft hatte bluten müssen, allerdings in Bargeld. Marga hatte beim Kellner, der immer wieder zu ihnen herübergrinste, eine weitere Runde Whisky-Cola bestellt und nach diesem Gespräch von Frau zu Frau Naranja, die schöne, schwarz gelockte Latina mit den Orangenbrüsten, nie wiedergesehen.
    Aufgewühlt von diesen Erinnerungen rückte deine Mutter in jener Nacht näher an den Spiegel heran, zog die Bauchdecke ein, presste dann abrupt von innen dagegen, spannte die Muskulatur am Beckenboden an, in einem ruckartigen Stakkato, bis das Zwerchfell leicht zu brennen begann. Doch das Bauchinnere ließ sich nicht wegpumpen. Eine Weile stand sie reglos da und betrachtete die weiße Fläche ihrer Haut, drehte dann die Leuchte über dem Spiegel gegen die Wand, so dass sich im Halbschatten die Wölbung ihres Leibs zu glätten schien. Sie nahm den Rasierapparat deines Vaters von der Konsole, pulte mit einer Schere die Klinge heraus, reinigte sie unter ein paar Spritzern seines Rasierwassers und setzte die Schneide an. In einer senkrechten und einer waagrechten Linie, die sich im Nabel kreuzten, vorsichtig und konzentriert wie beim Auftragen einer heiklen Farbe, die ein fast fertiges Gemälde entweder vervollkommnen oder zerstören kann, dabei tief in den Schmerz hinabatmend, ritzte sie die Haut, sternförmig, wie man eine Orange am Stängelansatz einschneidet, um die Schale besser abpellen zu können.
    Das zäh austretende Blut verwandelte das schlichte rote Kreuz auf weißem Grund sofort in ein kompliziertes Gebilde, das sich in feinste Adern verzweigte, bis ins Schamhaar hinab, wo sie die Wärme und Klebrigkeit der Rinnsale spürte, die sie kitzelten und zum Kratzen verführten, ein Drang, dem sie erst widerstand, dann aber, als der Reiz in ein Gefühl der Erregung umschlug, nachgab, erst in zögerlichen, noch beklommenen Berührungen, bis sich das Blut auf den Fingerkuppen mit der Feuchtigkeit ihres Geschlechts vermischte und sie den Finger tiefer schob, wieder zurückzog und mit einem zweiten, schließlich dem dritten erneut eindrang und dabei auf die Nabelwunde im Spiegel starrte, die sich unter ihren stoßweisen Bewegungen leicht blähte, sich unmerklich zu öffnen und wieder zu schließen schien wie ein tonlos flüsternder, in winzigen Tropfen speichelnder Mund. Sie verbiss sich jeden Laut. Drüben hörte sie das Bett knarren, gefolgt vom leisen Schnarchen deines Vaters.
    Noch eine Weile betrachtete sie, den Atem verhaltend, das stille, dunkel sickernde Gemälde ihres verstümmelten Bauches, dann wischte sie alles mit Klopapier weg, wusch sich die Hände, klebte ein Pflaster auf den Schnitt und schlich in die Küche, wo sie sich Wein eingoss und am offenen Fenster rauchte, obwohl ihr der Arzt von beidem abgeraten hatte. Sie zog die von Ölfarben verschmierte Arbeitsjeans an, warf sich eine Jacke über, löschte das Licht und stahl sich durch den Hof in die Scheune, angewidert und zugleich gelockt von der Vorstellung,

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