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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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der Fahrer zeigt ihr den Vogel. Rot, sagt Röcker, deutet zur Ampel und hebt entschuldigend die Hand. Stimmt, grinst sie und springt zurück auf den Gehsteig, Männer glauben, nur Nutten macht so etwas Spaß. Er schiebt sie zum Zebrastreifen, wo die Fußgänger auf grünes Licht warten, eine Horde Touristen in Regencapes, eine Frau mit Kinderwagen und ein Mann mit auffällig unbeteiligten Augen; sie kennt den welt- und lichtscheuen Blick der Kerle, die gerade aus einem Striplokal oder Sexkino kommen.
    Und was sie selbst denke, als Frau? Röcker tritt von einem Bein aufs andere, als könnte er es nun kaum abwarten, über die Straße zu gelangen, endlich hin an ihr Ziel. Sie lacht auf, zischt den Laut eher zwischen den Zähnen hervor; früher kam manchmal ein Kunde ins Modehaus, ein passabler Typ, erinnert sie sich, der, so könnte man meinen, es nicht nötig hat, zu einer Käuflichen zu gehen. Doch bei den Frauen, die er nicht bezahlen muss, ist er wohl nie, anders konnte sie es nicht erklären, auf seine Kosten gekommen. Statt derüblichen Nummer, abwichsen, blasen oder Doggy, sollte sie ihm zunächst ausgiebig den Hintern waschen, nicht aufreizend und auf keinen Fall nackt: Als sie sich das erste Mal wie gewohnt dabei entblößte, hat er sich umgedreht und ist wortlos und mit hochrotem Kopf aus der Tür. Erst später begriff sie, was und wie er es wollte. Sie schubste ihn, ganz strenge Mutter, ins Bad und übers Bidet, wo sie ihm die Kimme einschäumte, mit einem Frotteelappen und milder Waschlotion, routiniert und ein wenig gelangweilt, wie einem Kind; Dion hatte sie bis zur dritten Klasse abgewischt, wegen seiner seltsamen Marotte mit dem Klogeschäft. Wenn sie ihn aufforderte, selbst Hand anzulegen, erstarrte er zusammengekauert auf der Schüssel, voller Angst, bei der kleinsten Bewegung ins Rohrloch hinabzustürzen. Also tat sie es mit viel Bedacht, um ihn zu beruhigen, der Freier aber wurde nervös, wenn sie zu behutsam vorging, rutschte auf dem Beckenrand herum und raunzte sie an. Durch die Seife waren ihre Finger gut geschmiert. Sie war noch kaum bis zum zweiten Glied drin, da tropfte er schon grunzend in den Schaum, ohne dass sie seinen Schwanz auch nur gestreift hatte. Der Hunderter war schnell verdientes Geld, sie musste danach nicht einmal duschen.
    Vielleicht war ihr deshalb von den Spagaten und Verkrümmungen des Pariser Tangos endgültig übel geworden, als die Französin mit dem Finger rückwärtig im Amerikaner steckte, der, derart aufgespießt, einen weiteren sogenannten Kernsatz aus sich herauspresste, wirres Geschwätz, das sie, die Geliebte, ermunterte, eher nötigte, sich von einem Schwein ficken und dabei ankotzen zu lassen, eine Phantasie, an der die junge, schöne Frau tatsächlich entflammte, fast weinend in ihrer Erniedrigung und sich im Arsch des Amerikaners buchstäblich windend nach der Liebe mit einem sich übergebenden und dabei verreckenden Schwein, wobei sie, Marga, an die Donnerstage hat denken müssen, den Schlachttag bei Lamberts, wenn mittags das Todeskreischen über den Heidedamm schallt, markerschütternde Laute aus den Kehlen der panischen Tiere, die vom Knecht in die Halle getrieben werden, wo sie kopfüber an bewegliche Haken gebunden, an einem Gestänge aufgereiht und über einer Wanne von einem sichelförmigen Messer aufgeschlitzt werden, das früher noch der Schlachter selbst führte, das heute aber von einer Maschine gesteuert wird. Vorher wird die Stromzange an die Schläfen der Tiere gelegt, die sich nicht, wie vom Regisseur fälschlicherweise ins Drehbuch geschrieben, im Stress der Todesprozedur übergeben, sondern angeblich schmerzlos dahinschlummern, Fazit: Schweine, das kann sie, Marga, als langjährige Beobachterin des Lebens und Sterbens auf Spaltenböden bezeugen, erbrechen sich nicht, dafür hat die Natur sie zu Schweinen gemacht, die alles verwerten und in Fett und Fleisch verwandeln, und sie drängt Röcker neben den Mann, in dessen Augen noch immer das billige Licht der Koberfenster blinkt.
    Ob er schon mal bei einer Prostituierten gewesen sei?, fragt sie und hebt den Zeigefinger mit dem spitzgefeilten Nagel. Erschrocken beginnt das Kind im Wagen zu plärren, die Mutter wühlt es heraus und drückt es an ihre Brust. Röcker schnappt den Finger aus der Luft und legt ihn sich abermals auf den Hals. Die Mutter dreht ihr Kind weg, hin zu den Touristen, die auf Bayrisch herüberblödeln, doch das Baby kreischt nun wie vom Teufel geschreckt, und auch Röcker wirkt

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