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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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mit den vom Rennen rotfleckigen Wangen spitzt aus der Kapuze hervor. Sie nickt dir zu wie zum Abschied, schlüpft durch die Tür und schließt sie leise, als würde dahinter jemand schlafen, den man nicht wecken darf. Sie hat dabei mit den Augen gelächelt, die dir noch blauer erschienen, kränker als sonst, wie vom Himmel entzündet. Wenn sie dich im Klassenzimmer von hinten mustert, sieht sie, dass dir beim Reihumvorlesen vor Angst das Herz in die Hose rutscht. Und obwohl du den Gürtel enger ziehst, hört sie das Knurren deines leeren Magens, wenn Marga vergessen hat, dir das Pausenbrot zu schmieren. Manchmal liegt beim Stundenwechsel eine halbe Stulle auf deinem Tisch. Doch du kannst dich nie revanchieren, weil Marga, bevor sie morgens die Schnitte in den Beutel packt, eine Ecke abbeißt. Wer nimmt schon im Tausch ein Pausenbrot an, in das die Mutter ihre Signatur hineingebissen hat? Du knabberst dich bis zum Fraßrand vor, den Streifen, wo sich die Zahnreihe abzeichnet, wirfst du in den Müll. Tanja beobachtet dich und grinst.
    Sie weiß Bescheid, spätestens seit dem gemeinsamen Ballwegschießen. Beim Kinderspiel auf der Wiese vor dem Graben habt ihr den Bund geschlossen. Du hast gesehen, wie die Schwachen und Lahmen der Länge nach ins Gras stürzten, und gehört, wie sie dabei vor Wut mit den Zähnen knirschten. Auch Tanja war eines von den Kindern, die beim Sportunterricht als letztes in die Mannschaft gewählt werden. Beim Ballwegschießen kam sie nie weit. Ihr Gesicht, erinnerst du dich, war vor Anspannung seltsam verzerrt, wenn der Fänger den Ball am Ausgangspunkt platzierte, einem in den Staub gezeichneten Kreis. Während alle kreischend auseinanderstoben, trippelte sie davon oder zog, erst seit ein paar Tagen wieder ohne Gips, das Bein nach. Jeder wusste,dass Tanja sich im nächsten Gebüsch verstecken würde, niemand hat je dort gesucht.
    Auch du, Dion, hattest bereits verloren, wenn das Los, Fänger zu sein, beim Auszählen auf dich fiel. Zwar bist du kein schlechter Läufer, doch zurück am Start, ist dir dann der entscheidende Ruf nicht über die Lippen gekommen, Bannabanna!, der das Spiel beendet. Beim Wettlauf hast du es mehrmals in Gedanken gebrüllt und bist dann, kurz vorm Ziel, doch gegen das B gekracht wie gegen eine Wand. Wenn du dann endlich etwas wie Hannahanna! herausgebracht hast, war der Ball längst weg, oder du bist über den Namen des Gejagten gestolpert, Konsonantenbrocken wie Bannabanna Kai! oder Thorsten! oder Danny! ; Daniela, erinnerst du dich, von allen Danny gerufen, war der schlimmste Name von allen. Niemand von den Dorfkindern hat beim Bannabanna-Spiel je gegen die Bloch-Tochter verloren, die damals noch doppelt so dick war; niemand außer dir.
    Nur Tanja bereitet dir noch mehr Herzklopfen, nicht nur wegen des Anfangsbuchstabens in Form eines Antoniuskreuzes, Folterpfahl der biblischen Schächer. Du kannst mit Tanja schon allein deshalb nicht gehen, weil du ihren Namen nicht über die Lippen bringen würdest. Nie könntest du sagen: Tanja, ich liebe dich. Hannes, ich liebe dich, das ginge schon eher; dass der Name von Lamberts ältestem Sohn mit dem Buchstaben beginnt, der dir als einziger im Alphabet wohlgesinnt ist, siehst du als Zeichen des Himmels oder Wink einer höheren Macht.
    Doch nun hast du, Hohnlachen des Schicksals, ausgerechnet die beiden zusammen gesehen. Sie standen beim Baumstumpf am Teich, vorhin, als du in der Dämmerung nachHause gekommen bist: sie in der gelben Regenjacke, er noch im Blaumann und mit einer Zigarette, deren Glutspitze im dunklen Gewirr der Binsen Bahnen zog. Du konntest nicht hören, was sie sprachen und ob sie überhaupt etwas sagten. Der Wind in den Erlen und in deinen Ohren das Blut übertönten ihre Stimmen. Du hast dich ins Gestrüpp geduckt und sie widerwillig über das Wasser hinweg beobachtet, ihre mal ineinander, dann wieder zurück in die Dunkelheit tauchenden Silhouetten. Wolltest das nicht sehen, Tanja, die jetzt mit Hannes geht. Hannes, der sie gleich ins Gras legen würde, wie noch vor den Sommerferien Daniela. Deine Augen irrten über den Teich, bis zum abgespaltenen Ast. Im Zwielicht war er nur ein Schemen, der mit dem Wasser verschmolz. Als wäre er endlich eingetaucht. Immer hast du auf diesen Moment gewartet, und stets war dir, als würde auch der Ast darauf harren: auf das Wasser, auf dich, darauf, dich unter Wasser zu drücken.
    Von allen Seiten rieselte es aus den Gräben. Du hast dich im Unterholz noch kleiner

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