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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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damals?«
    »Ich war dreizehn … oder war ich schon vierzehn? Ich bin nicht ganz sicher. Weißt du …« Stirnrunzelnd, als wäre ihm
das Ganze noch heute ein Rätsel, sah er auf. »Bevor das alles passierte, hatte ich ein so wundervolles Leben. Ich war der größte Glückspilz auf Erden, alles machte so viel Spaß …«
    Er schwieg in sich gekehrt, dann schüttelte er sich und fuhr ruhig fort: »Es ist eine lange Reise von Hollis in den Maghreb. Es wurde Winter. Unterwegs hatten sie eine lange Reihe von uns aufgesammelt … Ware nannten sie uns. Ware. Irgendwo – ich vermute, es muss in den Mittelländern gewesen sein – wurden wir alle mit Stricken aneinandergebunden, weil wir ein Moor durchqueren mussten. Eine lange, leere Straße quer über das Moor. Meilenweit nichts zu sehen. Meilenweit … nur Schnee. Es passierte etwas mit meinem Vater.« Er presste sich die Hand in die Magengrube und verzog das Gesicht, um anzudeuten, was passierte. Wynter beugte sich zu ihm und nahm seine Hand, doch er drückte nur kurz ihre Finger und löste sich dann sanft von ihr, als könnte er nicht weitererzählen, wenn er getröstet wurde. Seine Stimme klang jetzt eigenartig flach und ausdruckslos. »Er bekam heftiges Bauchweh und konnte nicht mehr laufen. Nach einer Weile konnten wir ihn nicht mehr tragen, weil er zu starke Schmerzen litt.« Er verstummte und fuhr dann abrupt fort: »Sie haben ihn losgebunden und am Straßenrand im Schnee liegen gelassen. Er hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt. Er … weinte. Ich konnte ihm nicht helfen.«
    »O nein.« Wieder wollte sie seine Hand halten, und wieder entzog er sie ihr und atmete tief ein. Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab.
    »Was …«, flüsterte er. »Was ich nur sagen will: Du hast Glück.« Nun suchte er ihren Blick und sah ihr so eindringlich in die Augen, dass Wynter innerlich eiskalt wurde. Er hatte einen Verdacht. Christopher hatte den Verdacht, dass sie fortgehen würde, und versuchte, sie davon abzuhalten.

    »Du würdest dir niemals vergeben, Wynter, wenn du nicht hier bei ihm wärest. Das ist etwas, das du niemals zurückholen kannst, es gibt keine zweite Chance. Mehr will ich gar nicht sagen. Es gibt keine zweite Chance.« Er hielt seinen Blick noch einen Moment aufrecht, dann nickte er und tätschelte ihre Hand. »Ich muss jetzt gehen.«
    Wynter blieb sitzen, die Augen ins Leere gerichtet, die Hände im Schoß gefaltet – zu benommen, um etwas zu sagen oder zu tun.
    Christopher stand auf, um seine Sachen zusammenzusuchen. Als er fertig war, Sattel und Zaumzeug über der Schulter, seine Kleidertruhe auf einem kleinen Wagen neben der Tür bereitstehend, fragte er leise: »Bist du böse auf mich, Wynter?«
    Erschrocken blickte sie auf. Er stand mit traurigem Gesicht in Lorcans Tür. Die ganze Zeit, während er sich für seine Abreise bereitmachte, hatte sie versteinert dort gesessen, und nun glaubte er, sie …
    Sie sprang auf die Füße und schlüpfte an ihm vorbei in den Empfangsraum. »Ich muss meinen Umhang holen, Christopher. Warte auf mich.«
    »Nein«, zischte er bestürzt. »Das geht nicht. Ich nehme den Geheimgang. Du würdest niemals zurückfinden.«
    Sie blieb stehen. »Ich steige durchs Fenster und klettere über die Bäume hinunter, wenn es sein muss, Christopher Garron. Du gehst nicht mutterseelenallein in die Ställe – ohne jemanden, der dir zum Abschied winkt.«
    Sie zog ihren Mantel und die weichen Stiefel über und schnallte sich den Dolch um die Taille. Als sie zurück in den Empfangsraum eilte, stand Christopher vor der Tür und betrachtete Lorcan, der immer noch selig wie ein Säugling schlief, das Gesicht dem Kamin zugewandt. Christopher hatte
ihm ein Glas Tee auf den Nachttisch gestellt, das nun sanft im Feuerschein dampfte.
    »Die Hoffnung auf etwas Bleibendes ist es, die uns den Garaus macht, nicht wahr?«, sinnierte Christopher leise. »Wenn wir nur diesen dummen Wunschtraum abschütteln könnten, diesen Glauben, dass wir dieses Mal bleiben dürfen. Dass es dieses Mal von Dauer sein wird. Dann wären wir alle viel glücklicher.«
    Wynter blieb ganz still, sie wehrte sich innerlich dagegen, diese Worte in ihr Herz dringen zu lassen, denn dann würde sie in Tränen ausbrechen. »Willst du ihm nicht Lebewohl sagen?«, fragte sie.
    »Ich möchte ihn nicht wecken.«
    Wynter zögerte. Sie wusste nicht recht, ob es das Richtige wäre, einfach so zu gehen. Doch Christopher hielt bereits den Griff des kleinen Karrens in der Hand.

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