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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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wieder zum Feuer. Es war merkwürdig, seine sonst so leisen Schritte in den festen Reitstiefeln laut rasseln zu hören. Er hockte sich vor den Kamin und goss zwei Gläser starken, pechschwarzen Tee ein, wie ihn die Türken tranken. »Hier«, flüsterte er und reichte ihr eines davon.
    Sie tranken in vertrautem Schweigen, das sanfte Knistern des Feuers untermalte die Stille. Es fiel Wynter schwer, traurig zu sein, denn es kam ihr ganz und gar unwirklich vor, dass Christopher fortgehen würde. Hier mit ihm zu sitzen, die Füße hochgezogen, die Decke auf dem Schoß, war ihr so unendlich vertraut. Vor ihr saß Christopher auf der Steinstufe am Kamin, die Beine ausgestreckt und an den Knöcheln gekreuzt. Forschend betrachtete sie sein Profil, während er wiederum ihrem Vater beim Schlafen zusah. Das Teeglas hielt er zwischen den Schlucken unter dem Kinn und sog den Zitronenduft ein; seine Miene war undurchdringlich.
    »Wynter …«, raunte er plötzlich.
    »Ja?«

    Er sah sie an, das Gesicht dunkel vor dem hellen Feuer, die Augen glänzend. »Ich bin froh, dass du bei deinem Vater sein wirst, wenn seine Zeit zu sterben kommt.«
    Dieser Satz war so unverblümt, so ohne jede Schönfärbung oder Ausflüchte, dass Wynters Kehle wie zugeschnürt war. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und starrte ihn stumm mit riesigen Augen an.
    »Nicht so sehr … Na ja, natürlich ist es für Lorcan viel, viel besser, dass du da sein wirst. Und dafür bin ich ebenfalls dankbar, weil ich ihn sehr liebe. Aber …« Er überlegte kurz, dann stellte er sein Glas neben sich vor dem Kamin ab und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Mein Vater und ich wurden in einem kleinen Dorf an der hollischen Grenze von den Sklavenhändlern gefangen genommen. Unsere Truppe war eingeladen worden, dort auf einer Hochzeit zu spielen. Eine Woche sollten wir dort bleiben, doch es war nur eine List. Als wir ankamen, war das Dorf von den Loups-Garous überfallen worden. Sie waren gekommen, um sich ihren Siebten zu holen.« Er hielt inne und sah sie fragend an. »Du … du weißt, was das ist – der Siebte?«
    Wynter nickte mit trockenem Mund. Sie kannte den Brauch des Siebten. Du lieber Gott! Die Loups-Garous. Dieser grausame, unbeherrschbare Stamm nomadischer Kreaturen. Der Fluch der nordländischen Wildnis. Sie fielen über ein Dorf her, übernahmen es für fünf Tage, bedienten sich hemmungslos an Essen, Unterkunft und … Frauen. Sieben Jahre später dann kehrten sie zurück, um die stärksten und zähesten der Kinder auszuwählen, die aus diesen Vereinigungen hervorgegangen waren. Wehe dem Volk, das seinen Siebten nicht aushändigte. Es war ein System, das seit Generationen bestand. Manche Dörfer betrachteten es inzwischen gar als Ehre und hießen die Wölfe mit Festmahlen und der freien
Auswahl unter ihren Töchtern willkommen. Wynter lief ein Schauer über den Rücken. »Aber Christopher«, flüsterte sie. »Ich wusste gar nicht, dass die Wölfe auch mit Sklaven handeln.«
    Christopher sah sie mit schimmernden Augen an, seine Stimme war bedeutungsschwer, als er erwiderte: »Es gibt so vieles, das man nicht von ihnen weiß … Zum einen glauben die Leute, dass alle Siebten zu Loups-Garous heranwachsen, doch so ist das nicht. Die meisten werden in Wahrheit als Sklaven verkauft.« Er warf einen Seitenblick auf Lorcan und hielt weiterhin die Stimme gesenkt. »Das Dorf konnte ihnen keine Siebten aushändigen, denn eine Pockenepidemie hatte alle kleinen Kinder dahingerafft.« Er legte den Kopf schief und breitete die Hände aus. »Also bot das Dorf stattdessen uns an. Es gab keine Hochzeit – es hatte nie eine geben sollen. Wir waren ihr Geschenk an die Wölfe. Die glorreiche Garron-Truppe, berühmt in ganz Hadra für unsere Musik und unseren Gesang.«
    »Oh, Christopher … Ich … Das ist so …«
    Er zuckte die Achseln und wedelte mit der Hand, als wollte er sagen: Ist ja einerlei . »Wir waren zu sechst in der Truppe. Alle sehr begabt. Die meisten von uns …« Er stockte. »Die meisten von uns … hübsch. Sobald sie uns gesehen hatten – sobald sie die Mädchen gesehen hatten, wussten sie, dass sie einen guten Preis für uns bekämen. Also willigten sie ein.«
    Die Kälte, die sich bei der Erwähnung der Loups-Garous in Wynters Brust festgesetzt hatte, breitete sich bis in ihren Bauch aus. Sie versuchte, sich die tiefere Bedeutung, die hinter Christophers spärlichen Worten lag, nicht auszumalen. »W-wie alt warst du

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