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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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voraus gegen den nächsten Baum.
    Razi heulte auf und taumelte auf sie zu, und Wynter versuchte erneut verzweifelt, sich dem Soldaten zu entwinden. »Christopher!«, schrie sie. »Christopher! Nein!«
    Mit einem Knacken, das durch Mark und Bein ging, prallte Christophers Kopf von dem Baumstamm ab. Unfassbarerweise ging er nicht zu Boden, sondern torkelte ein paar Schritte rückwärts, den Mund geöffnet, die Augen trüb. Dann blieb er schwankend wie ein Betrunkener stehen. Ein dünnes Rinnsal Blut floss ihm über die Stirn ins Auge.
    Einer der Soldaten betrachtete ihn mit höhnischer Erheiterung. Er stupste ihn mit einem Finger an, und Christopher wankte ein, zwei Schritte zur Seite, schien es aber überhaupt nicht zu bemerken.
    »Finger weg von ihm!«, rief Razi und drängte sich zwischen den Wachen durch. »Und du lässt sie los!« Dem Soldaten, der Wynter immer noch festhielt, schlug er die Hände weg. Sie trat vor und rieb sich die Oberarme, den Blick auf Christopher geheftet.
    Doch noch bevor Razi zu ihm gelangen konnte, fasste Jonathon Christopher bei den Haaren und schlug ihn abermals
gegen den Baum. Dieses Mal blieb er nicht auf den Beinen. Stöhnend glitt er zu Boden, die Augen immer noch offen. Blut quoll träge aus seiner Nase hervor.
    Da stürzte sich Razi auf Jonathon und versetzte ihm einen donnernden Hieb vor die Brust. Der König taumelte zur Seite, sein Blick verriet aufrichtige Überraschung, als wäre er gerade aus dem Himmel gefallen.
    Der ranghöchste Soldat trat mit gereckter Faust zwischen Vater und Sohn, doch Jonathon bedeutete ihm, zurückzubleiben. Verächtlich musterte er Razi von Kopf bis Fuß und sagte: »Was machst du denn, Junge?«
    »Er ist mein Freund « , schrie Razi. »Er hat mich beschützt!«
    Jonathon lief vor Zorn dunkelrot an, packte Razi urplötzlich am Kragen und schüttelte ihn, bis er würgte. »Dein Freund ? Dein Freund ? Du bist kein gemeiner Bürger, Junge! Du hast keine Freunde! Du hast Untertanen! Er ist dein Untertan ! «
    Hilflos schlug sich Wynter die Hand vor den Mund. Was sollte sie nur tun? Sie fühlte sich wie ein Kind unter lauter Riesen, und sie konnte die Augen nicht von Christopher abwenden, der hinter den Beinen des Soldaten gerade noch zu sehen war. In fruchtloser Anstrengung hob er matt den rechten Arm, nur um ihn sogleich wieder sinken zu lassen; sein unscharfer Blick war auf die sonnenbestrahlte Baumkrone über sich gerichtet.
    »Er hat mich beschützt!« Vor Verzweiflung versagte Razi die Stimme, und Jonathon ließ ihn mit einem kleinen Schubs los, so dass er rückwärts stolperte.
    »Er hat uns betrogen«, sagte der König bedrohlich leise. »Er hat einen Mann getötet, den wir lebendig brauchten, und er hat den Thron wichtiger Antworten beraubt. Dafür wandert er in den Kerker, Razi, und wir werden sehen, wie vieler
Finger er noch verlustig geht, bevor er in meinen Augen seine Schuld beglichen hat.«
    Dieses Mal hielten ihn drei Soldaten des Königs zurück, bevor sich Razi mit einem ohnmächtigen Schrei auf Jonathons Kehle stürzen konnte. Wynter schluchzte laut, presste aber blitzschnell die Lippen aufeinander. Zu spät – Jonathon sah sie böse an, und sie wünschte sich, unsichtbar zu sein. Der König musterte sie eingehend, und wie Perlen auf einem Abakus hin und her geschoben werden, sah sie in seinen Augen Pläne und Möglichkeiten und Absichten entstehen und Gestalt annehmen und sich wandeln, während er sich einen Reim auf ihre Rolle in alldem zu machen suchte.
    »Was hast du hier zu schaffen, Protektorin? Wollen mich die Moorehawkes ebenfalls hintergehen?«
    Razi stöhnte und schloss entmutigt die Augen. »So lass sie doch, Vater! Ich bitte dich.«
    Der König stieß ein wütendes Brüllen aus, bei dem Wynter zusammenzuckte. Dann erhob er die Faust gegen seinen Sohn, fing sich jedoch gerade noch und schüttelte sie nur vor Razis inzwischen herausfordernd trotzigem Gesicht. »Hör auf, wie ein Bauer zu reden! Du bittest nicht! Du bittest niemals ! Du bist der Thronfolger ! «
    »Eure Majestät wird wohl von der Sonne geblendet«, knurrte Razi, Speichel auf den Lippen, die Zähne gefletscht in seiner Abwehr gegen die Soldaten, die ihn festhielten. »Eure Majestät verwechselt mich mit meinem Bruder ! «
    Einen Moment lang blickten Vater und Sohn einander in die Augen, Nase an Nase, wie Wölfe, die ihr Revier verteidigten. Dann, ganz allmählich, wurde Jonathons Ausdruck zu etwas Dunklerem als Wut. Er betrachtete Razi auf eine ganz neue

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