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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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gefallenes Volk.
    Sie lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie, ohne selbst zu bemerken, dass sie damit Razis Haltung spiegelte. Seine Frage hatte sie nicht beantwortet, was ihn gar nicht zu stören schien. Er saß einfach nur mit gerunzelter Stirn da und rieb in der so vertrauten, unbewussten Geste die Finger in der Handfläche. Nach einer Weile hielt Wynter sein aufgeregtes Zappeln nicht mehr aus und ergriff seine Hand.
    »Hör auf damit«, raunte sie. Er erstarrte und setzte sich auf, die Finger fest ineinander verschränkt, und sofort tat Wynter ihre Ungeduld leid. Sie tätschelte ihm den Arm. »Entschuldige.«
    »Ich werde euch nicht wieder allein in den Wald bringen«, sagte er brüsk. »Das kann ich nicht. Ich kann es nicht. Ich werde es nicht. Falls Christopher vorhat, sie zu überreden …« Er schüttelte den Kopf.
    Wynter betrachtete ihn, seine steife Haltung, das entschlossene Gesicht. »Razi«, sagte sie. »Christopher ist überzeugt davon, dass du bei diesen Leuten den Tod findest,
wenn du bleibst. Er glaubt offenbar, dass du an ihren Sitten und Gebräuchen aufs Heftigste Anstoß nehmen wirst. Er …« Sie zögerte, Razis Beziehung zu Embla ins Feld zu führen. »Er macht sich Sorgen, dass du sie dazu zwingen wirst, dir etwas zuleide zu tun.«
    »Er unterschätzt mich«, entgegnete Razi, »wenn er glaubt, meine Toleranz reichte nicht aus für irgendwelche fragwürdigen heidnischen Rituale. Er sollte am allerbesten wissen, dass ich schon viel Schlimmeres dulden musste.«
    »Ich glaube«, erklärte Wynter vorsichtig, »dass in Christophers Augen Emblas Rolle in all dem die Schwierigkeit sein könnte. Heidnische Gebräuche sind oft recht … es heißt …« Sie biss sich auf die Lippen, nicht geneigt, die Einzelheiten der Gebräuche wiederzugeben, denen Heiden den allgemeinen Gerüchten zufolge frönten.
    Razi schluckte. »Embla ist eine erwachsene Frau. Ich kann ihr nicht vorschreiben, was sie zu tun hat. Wenn zu ihrer Religion gehört …« Er nahm das fahrige Reiben der Handfläche wieder auf. »Es ist für mich ohne Belang«, sagte er dann leise. »Es stellt nicht die Summe dessen dar, was sie mir bedeutet.«
    Wynter legte ihm begütigend die Hand auf den Arm. Plötzlich aber weiteten sich Razis Augen, er sprang auf, und als Wynter seinem Blick folgte, erhob auch sie sich.
    Christopher hatte die Hand gehoben und wartete darauf, das Wort erteilt zu bekommen. Auf ein Nicken von Úlfnaor stand er auf und trat einen Schritt vor. Hier und da wurde Einspruch laut, als er zu reden begann, einige versuchten, ihn niederzubrüllen, doch seine Gegner wurden rasch und bestimmt zum Schweigen gebracht, und Christopher durfte fortfahren.
    Anfangs lauschte Sólmundr ihm ohne eine Regung, doch
als Christopher mit ruhiger Stimme weitersprach, drehte er sich ganz langsam zu Ashkr um. Wynter konnte ein deutliches Aufkeimen von Hoffnung in seinem wettergegerbten Gesicht erkennen, einen Funken von Erregung, den er nicht ganz verbergen konnte. Ashkr erwiderte Sólmundrs Blick nur kurz und wandte sich wieder ab.
    Als Christopher zum Ende kam, glühte Embla vor Zorn, und Úlfnaor wirkte fassungslos vor Schreck.
    Christopher verbeugte sich und kehrte zu seinem Platz im Kreis der Krieger zurück. Mit gesenktem Blick ging er wieder in die Hocke. Einen Augenblick lang herrschte verblüffte Stille, dann schossen zahlreiche Arme empor und baten um Redeerlaubnis.
    Ratlos sah sich Úlfnaor um, er schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Da er immer noch nicht sprach, trat plötzlich Embla in die Mitte und hob mit einem lauten Ruf die Hand. Sehr langsam senkten die Merroner die Arme wieder, entgeistert, dass man ihnen das Recht zu reden verweigert hatte.
    Embla aber stand wutschäumend in ihrer Mitte, holte tief Atem, straffte die Schultern und wandte sich an ihr Volk. Sie sprach förmlich und nachdrücklich und ausführlich. Eine Rede, eine mitreißende Rede. Andächtig hörten die Merroner zu, und Wynter konnte sehen, wie Embla sie für sich gewann.
    Währenddessen blickte Úlfnaor unglücklich zwischen Embla und Christopher hin und her, und abermals vermittelte er den Eindruck eines Mannes, der von einer unsichtbaren Last niedergedrückt wird. Als Embla geendet hatte, drehte sie sich mit funkelnden Augen zu ihm um. Der Aoire sah sie traurig an, dann verzog er zustimmend den Mund und verneigte sich. Embla kehrte an seine Seite zurück, den Rücken durchgedrückt, die Schultern eckig vor Anspannung.
Wynter bemerkte,

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