Moorehawke 02 - Geisterpfade
verdüsterte sich. »Embla will es vielleicht nicht hören. Sie ist des Wartens müde.« Nun sah er in Christophers blasses und erschöpftes Gesicht. »Aber dennoch, Coinín, wenn es passiert, wenn ich schaffe, dass sie einwilligen … werdet Ihr sprechen? Werdet Ihr sagen, was Ihr mir gesagt habt? Werdet Ihr Euren Standpunkt vortragen?«
Christopher blickte Ashkr gerade in die Augen. »Ja, das werde ich.«
»Chris?«, fragte Wynter vorsichtig.
»Überlass das bitte mir, Wynter«, sagte er in ruhigem Südlandisch. »Achte du nur darauf, dass Razi keine Versprechungen macht, ja?« Ehe Wynter noch etwas entgegnen konnte, wandte sich Christopher wieder an Ashkr. »Kommt, Herr. Lasst uns einen Rat einberufen.«
Der Rat tagt
B ei ihrer Rückkehr zur großen Wiese wurde Wynter höflich beim Arm genommen und zu Razi geleitet. Obwohl die Merroner Christopher seine Waffen zurückgegeben hatten, mussten Razi und Wynter weiterhin unbewaffnet bleiben und wurden zu einem Baumstamm im Schatten gebracht, wo sie von den Geschehnissen gänzlich ausgeschlossen saßen. Zwei Krieger hockten nur wenige Fuß entfernt im Staub und bewachten sie, während sie die Vorgänge schweigend aus der Ferne verfolgten.
Unter dem versammelten Volk herrschte spürbare Unzufriedenheit, alle drängten sich um Ashkr, der leidenschaftlich sein Anliegen vorbrachte. Es gab erhobene Stimmen und heftige Gesten, jeder schien eine Meinung zu haben, und jeder schien entschlossen, gehört zu werden. Hin und wieder schielte einer von ihnen zu Wynter und Razi herüber, mancher verwirrt, mancher mitleidig, mancher auch schlicht feindselig. Embla und Úlfnaor schwiegen mit starren Mienen. Sólmundr saß an einen Baum gelehnt und lauschte dem Stimmengewirr ernst.
Razi, angespannt wie eine Bogensehne, blickte zwischen Christopher, Embla und Úlfnaor hin und her, während Wynter ihre Aufmerksamkeit gänzlich auf Christopher gerichtet hatte. Er stand neben Ashkr und hörte ruhig zu, wie der Merroneredle mit seinen Leuten verhandelte.
Weder Wynter noch Razi bemühten sich um Konversation; nichts von dem, was nun passieren würde, lag in ihrer Macht – ihre Zukunft hing allein von den Entscheidungen anderer ab.
Unvermittelt klatschte Úlfnaor in die Hände und gab einen lauten Befehl. Sogleich verstummte das ganze Gerede, und die Merroner bildeten etwas widerstrebend einen groben Halbkreis und hockten sich auf den Boden. Christopher setzte sich zu ihnen, Ashkr, Wari und Úlfnaor stellten sich neben Sólmundr. Embla, die Miene verdrossen, schwankte noch, dann aber fügte sie sich mit einer ungeduldigen Geste und nahm den Platz neben ihrem Bruder ein. Sólmundrs Platz am Baum entsprach nun gleichsam dem königlichen Tisch bei einem Bankett, und die Anführer standen mit verschränkten Armen zu beiden Seiten ihres sitzenden Freundes.
Es war jetzt heller Tag, ein klarer, blauer Himmel blitzte über den Baumwipfeln. Wynter musste wegen des zunehmenden Hitzeflimmerns die Augen zusammenkneifen. Schwer zu glauben, dass sie nur drei Stunden zuvor ihre Pferde gesattelt und ihren Aufbruch aus dem Lager vorbereitet hatten.
Nun trat Úlfnaor vor und sah sich erwartungsvoll um. Eine der Kriegerinnen hob die Hand und erhob sich auf Úlfnaors Aufforderung hin, um ihre Ansicht kundzutun. Alle hörten gesittet zu, während sie ihre kurze, ernsthafte Rede hielt. Da erst begriff Wynter, dass nun Rat gehalten wurde; Ashkr hatte seinen Wunsch durchgesetzt, und ohne größere Umstände oder Gewese war die Debatte bereits im Gange.
Neben ihr sagte Razi leise: »Weißt du etwas über diese Art von Versammlung, Wyn? Haben sie irgendeine Ähnlichkeit mit Vaters Ratssitzungen?«
Wynter ließ den Blick über das Rund der auf dem Boden kauernden Männer und Frauen schweifen und konnte sich
bei der Vorstellung, Jonathons sauertöpfische Ratsherren würden auf diese Weise im Staub auf der Erde hocken, ein Schmunzeln nicht verbeißen. Doch es verschwand ebenso schnell wieder. Jonathons Ratsherren mochten ja ein Haufen spröder, verstockter Greise sein, doch mit einem Federstrich konnten sie das gesamte Lager zerstören. Sie konnten dieses gesamte Volk zerstören.
Der Anblick dieser gespannt lauschenden Krieger und ihrer stattlichen Anführer machte Wynter traurig. Es gibt keinerlei Hoffnung für sie , dachte sie. Sie würden sich hier niemals einfügen. Es wäre Wahnsinn, wenn Jonathon ihnen auch nur den Versuch einräumte . Diesen Menschen lief die Zeit davon, sie waren ein aus der Zeit
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