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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Kopf ein und fluchte unterdrückt, als Zweige und Dreck auf sie herabregneten. Sie blinzelte sich die Augen frei von Staub und kroch weiter, während über ihr die großen Vögel schubsten und zankten.
    Es war schwierig, durch den grellen Lichtschein etwas zu erkennen, und einen Moment lang waren die Merroner nur schwarze Gestalten vor einem Hintergrund aus Feuer. Dann aber hatten sich Wynters Augen umgewöhnt, und sie sah Ashkr und Embla nicht weit entfernt mit dem Rücken zu ihr nebeneinander stehen. Zu Ashkrs Rechten war Christopher,
zu Emblas Linken Wari, und alle vier beobachteten reglos und steif die Zeremonie. Lautlos reckte sich Wynter, um den gesamten Schauplatz zu überblicken.
    In der Mitte der Lichtung türmte sich ein riesiges, hufeisenförmiges Gebilde aus sauber aufgestapelten Scheiten und Reisigbündeln auf. Finster und gewaltig lag es inmitten des flackernden Fackelscheins. Der Raum, den die beiden Arme der Konstruktion zwischen sich bargen, war eine tiefe, unnachgiebige Schattenmasse, vor der die Caoirigh erleuchtet wurden wie Statuen.
    Das ist ein Scheiterhaufen , erkannte Wynter schlagartig. Sie haben einen Scheiterhaufen errichtet . Unwillkürlich wich sie zurück und krallte die Finger in das weiche Laub – sie musste an sich halten, um nicht fortzulaufen. Sie haben einen Scheiterhaufen errichtet . Für wen?
    Noch mehr Fackeln wurden entzündet, die einen weiteren Umriss enthüllten, der hinter dem gedrungenen Scheiterhaufen aufragte. Zuerst dachte Wynter, es wäre eine Marmorsäule, dann aber sah sie, dass es der Stamm eines gigantischen Baums war. Man hatte Wurzeln, Astwerk und Rinde entfernt, und er wurde von Keilen und Stricken aufrecht gehalten. Saft quoll aus dem hellen Holz, floss in langen, schimmernden Rinnsalen hinab.
    Auf halber Höhe, etwa zwanzig Fuß über dem Boden, war eine tiefe Einkerbung in das Holz geschlagen worden, gerade groß genug, dass ein Mensch darin stehen konnte. Wie die Mitte des Scheiterhaufens lag auch die Aushöhlung in dichter Schwärze. Beim Anblick dieses wabernden, mannshohen dunklen Lochs wurde der Kloß in Wynters Hals so groß, dass sie keine Luft mehr bekam.
    Nun stimmten die Merroner einen gleichförmigen Singsang an, dunkle Gestalten näherten sich den Zwillingen.
Beide, Ashkr und Embla, hoben die Arme und streckten sie in einer Geste der Unterwerfung vor sich aus. Ashkrs Hände zitterten.
    Hallvor trat hinter dem Scheiterhaufen hervor und stellte sich mit gesenktem Kopf auf die Seite. Um ihre nackten Arme waren Spiralen aus Weidenrindenschnüren geschlungen, sie sah aus, als wäre sie von dünnen, dunklen Schlangen umwunden. Langsam hob sie die Arme auf Schulterhöhe, und Wynter sah, dass die Schnüre mit vielen kleinen Medizinbeuteln und Krähenfedern geschmückt waren. Die Säckchen schwankten wie kleine, schwarze, bösartige Geschwüre.
    Nun trat Úlfnaor aus den Schatten. Das dunkle Haar hing wie üblich offen über seine Schultern, doch er hatte sich schwarze Krähenfedern hineingeflochten; sie wirbelten und wehten, als er an Hallvor vorbeiging und vor den Caoirigh stehen blieb. Feierlich küsste der Aoire beide Zwillinge auf die Wange, und bei jedem Kuss stimmte das umstehende Volk einen tiefen Ton an.
    Christopher und Wari bückten sich, um etwas vom Boden aufzuheben. Man sah Feuerschein auf Kupfer blitzen, als beide Männer je eine flache Metallschale aufhoben und sich zu den Caoirigh umdrehten. Ganz kurz wurde Christophers Gesicht vom Licht eingerahmt; Wynter sah, wie er Ashkr anblickte. Dann neigte er den Kopf, und seine Miene wurde von der Dunkelheit verhüllt.
    Die Trommeln und der Gesang verstummten abrupt, und in der schweren, knisternden Stille zog Úlfnaor seinen Dolch und schnitt langsam in Ashkrs ausgestreckten Unterarm. Ashkr zuckte leicht, seine Finger krümmten sich zur Faust, doch das war alles. Zu Wynters Entsetzen hob Christopher ruhig seine Schale und fing das Blut auf, das aus Ashkrs Wunde floss. Úlfnaor wiederholte den Vorgang bei Embla.
Die blasse Frau erschauerte kurz, als die Klinge in ihre Haut fuhr, doch dann hielt sie, wie ihr Bruder, vollkommen still, während ihr Blut hell in Waris Schale rann. Das Tropfgeräusch auf dem Kupfer war entsetzlich laut.
    Das geschieht nicht in Wirklichkeit , dachte Wynter. Das kann nicht wirklich sein . Sie versuchte, Christophers Gesicht zu erkennen, doch er hielt es immer noch abgewandt.
    Das Blut floss und floss, und Embla und Ashkr standen geduldig da, während es die Schalen

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