Moorehawke 02 - Geisterpfade
und Úlfnaor wandte sich zu seinen Leuten um, die schweigend jenseits der Flammen standen und ihn mit Augen ansahen, so hell schimmernd wie die Waffen in ihren Händen.
»Schsch«, tröstete Hallvor über Sólmundr gebeugt. »Schsch, a chroí .«
Ungeachtet ihrer Besorgnis lächelte Sólmundr. »Ashkr«, wiederholte er.
»Schsch«, machte Hallvor streng. »Sól, sei still.«
Plötzlich schrak Razi zusammen, und Wynters Magen drehte sich beim Anblick des faulig gelben Fleckens um, der durch die untersten Schichten des Verbands nässte. Ein grässlicher Geruch breitete sich aus, und ihr wurde bang ums Herz.
O nein .
Als die letzte Binde gelöst wurde, zuckte Sólmundr und ächzte schwach. Razi hockte sich auf die Fersen zurück, die Miene ausdruckslos.
Um die gesamte Wunde herum war Sólmundrs Bauch straff geschwollen, rot und heiß. Die Haut um die Fäden war stark vereitert. Wynter legte sich die Hand auf den Mund, bestürzt über die offensichtliche Hoffnungslosigkeit seines Zustands. Mit feuchten Augen blickte sie zu Razi auf. Der betrachtete die Wunde einen Moment lang, dann drückte er vorsichtig mit den Fingern auf einen der Stiche. Eiter quoll zäh unter dem verknoteten Faden hervor, und erneut stöhnte Sólmundr vor Schmerz.
Razi zog die Hand zurück, und Hallvor raunte etwas Begütigendes.
»Hally, sie sagt, macht Euch keine Gedanken«, übersetzte Úlfnaor. »Sie sagt, Ihr habt alles in Eurer Macht Stehende getan, Tabiyb. Mehr hättet Ihr nicht tun können.«
Razi schüttelte nur einmal langsam den Kopf, nein, der Meinung war er nicht.
Nun drang Frangoks Stimme harsch und tonlos herüber: »Is maoin do Chroí an Domhain Sólmundr.«
Was es auch bedeuten mochte, es machte weder Úlfnaor noch Hallvor froh. Missbilligend verzogen sie die Gesichter. Wari und Soma ließen die Köpfe hängen, unangenehm berührt von Frangoks Worten, doch die übrigen Männer, Surtr und Thoar, schienen auf ihrer Seite zu stehen und nickten
beifällig, während die Kriegerin ihre Ansicht noch weiter bekräftigte.
» Tá Ashkr ag fanacht le Sól .« Sie stieß ihr Schwert in Sólmundrs Richtung.
»Ja …«, sagte Sólmundr träumerisch. »Ashkr.«
Geschlossen sahen die Merroner ihn an.
» Agus Embla? «, fragte Frangok weit nach vorn gebeugt, um Sólmundrs Gesicht sehen zu können.
Jeder Einzelne schien mit angehaltenem Atem auf Sólmundrs Entgegnung zu warten, doch der arme Mann nahm ganz offenbar nichts außer seinen eigenen lächelnden Gedanken wahr.
»Sól«, ließ Frangok nicht locker. »Embla?«
»Embla«, seufzte Sólmundr entrückt. »Embla.«
»Aaaaah«, machte Frangok, als würde sie schlagartig eine gewaltige Wahrheit erkennen.
Im selben Moment wandten sich alle Krieger Razi zu, und etwas in ihren Mienen jagte Wynter einen kalten Schauer über den Rücken. Man konnte geradezu spüren, wie sich ihnen die Nackenhaare aufstellten. Vorsichtig schob sich Wynter ein Stück seitlich, so dass sie zwischen den Kriegern und dem immer noch völlig abwesenden Razi stand, und schloss die Finger um den Griff ihres Dolchs.
Úlfnaors tiefe Stimme durchbrach die aufgeheizte Stimmung wie ein Schlag mit der flachen Hand. »Níl Tabiyb ach ina choimhthíoch« , donnerte er.
Alle sahen ihn mit bösen Gesichtern an, doch Úlfnaor machte ein tadelndes Geräusch, als sollten sie es eigentlich besser wissen. Abfällig blickte er Razi von der Seite an, und Wynter war erschrocken und wütend über die deutlich zur Schau gestellte Geringschätzung in seiner Miene.
»Giota spóirt choimhthígh.« Die Verachtung für Razi war hinter jeder Silbe zu spüren.
Alle zögerten einen Augenblick; dann nickten Surtr und Thoar und setzten sich wieder hin. Úlfnaor machte eine fragende Geste in Richtung Frangok und legte den Kopf schief. Komm schon , sagte die Geste, du weißt, dass ich Recht habe . Sie runzelte die Stirn, schließlich seufzte sie ergeben, rammte ihr Schwert in die Scheide und stellte sich näher ans Feuer, die Augen auf Sólmundr gerichtet.
Wari musste plötzlich gähnen, er rieb sich das müde Gesicht, zog den Umhang bis ans Kinn und murmelte etwas vor sich hin, als beklagte er sich über die Kälte. Soma begann, in ihren Sachen zu wühlen, und förderte einen rußgeschwärzten Topf zutage. Ganz eindeutig machte sie sich daran, Tee zuzubereiten.
Wynter stand etwas unsicher dort, die Hand immer noch an der Waffe, die Augen von einem Krieger zum anderen wandernd. Offenbar richteten sich die Merroner auf eine
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