Moorehawke 02 - Geisterpfade
dicht bei Razi, Wynter und Christopher, wobei er sich zwischen ihnen und den Kriegshunden hielt. Darüber war Wynter froh, denn die großen Hunde hatten sich erhoben und knurrten mit gefletschten Zähnen, wenn auch leise. Sie wusste, dass man sich vor einem knurrenden Hund eigentlich nicht fürchten musste, aber andererseits würde vermutlich ihr gesamter Kopf in eine dieser Schnauzen passen, und die Vorstellung flößte ihr nicht gerade Mut ein. Sie rückte dichter an Razi heran, und er ergriff schützend ihre Hand.
Da sprach der Rotblonde die Hunde an.
»Tóg go bog é« , besänftigte er sie. »Is cairde iad.«
»Er hat gesagt: ›Ganz ruhig, sie sind Freunde‹«, übersetzte Christopher.
Die Zwillingsschwester beugte sich vor und spähte über die Hundeköpfe hinweg unumwunden auf Razis und Wynters verschränkte Hände. Als sie Wynters Wollarmband entdeckte, verfinsterte sich ihre Miene, und sie suchte Razis Handgelenke nach dem Gegenstück ab. Dann ließ sie den Blick zu Christopher schnellen, fand das passende Band und verzog zufrieden den Mund. Sie bedachte Razi mit einem vertraulichen Lächeln. Als sie sich wieder zurücklehnte, sagte sie knapp: » Tarraingígí siar! « Sofort ließen sich zwei der großen Hunde auf den Boden fallen und legten die Köpfe auf die Pfoten.
Ihr Zwillingsbruder saß gelöst auf seinem Stuhl und ließ mit großer Heiterkeit den Blick zwischen Wynter, Razi und Christopher hin und her wandern. Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. » Tarraingígí siar! «, befahl auch er, und zwei weitere Hunde legten sich hin. Als sie dennoch
weiterknurrten, klopfte er erneut auf den Tisch. » Tarraingígí siar! «, wiederholte er scharf. » Anois! « Winselnd betteten die Tiere die Köpfe auf die Pfoten.
Nun grinste der Zwillingsbruder und breitete entschuldigend die Hände aus. »Sie sind aufbrausend«, sagte er in gedehntem Hadrisch.
»Genau wie ihr Herr!«, versetzte seine Schwester mit fröhlich blitzenden Augen.
Nicht übermäßig sanft knuffte er sie zwischen die Rippen, und der Rotblonde schnaufte belustigt.
Wynter war verblüfft. Als Christopher ihr erklärt hatte, dass die Merroner »Manieren« erwarten würden, hatte sie sich darunter gewiss nicht das hier vorgestellt. Sie war auf hochmütige Geringschätzung vorbereitet gewesen, auf eine gewisse Überempfindlichkeit – beileibe nicht auf diese ungezwungene, neckische Gutmütigkeit. Allmählich machte sie sich Sorgen, was wohl noch zu den »Manieren« gehören mochte.
Im Gegensatz zum warmherzigen Frohsinn der anderen lehnte sich der Schwarzhaarige weiterhin mit verschlossener Miene in seinem Stuhl zurück und klopfte im Takt der Musik auf den Tisch. Seine Hunde knurrten immer noch warnend vor sich hin und standen als Barriere zwischen den Fremden und dem Tisch ihres Herrn.
Gleichzeitig drehten sich die Zwillinge zu ihm um. Der Bruder hatte sich etwas weiter vorgebeugt, um an seiner Schwester vorbeizusehen, und zog nun erwartungsvoll die Augenbrauen hoch. Da der Schwarzhaarige ihn nicht beachtete, pochte der Zwillingsbruder auf den Tisch und sagte etwas Ungeduldiges auf Merronisch. Immer noch rührte sich der Schweigsame nicht.
»Úlfnaor«, tadelte die Dame.
Ihre Missbilligung ließ ihn endlich einlenken, und er verdrehte die dunklen Augen, wedelte mit der Hand und fauchte: » Tarraingígí siar! «, ohne die Umstehenden anzusehen.
Endlich legten sich auch die letzten beiden Hunde gehorsam auf den Boden, und der Zwillingsbruder bedeutete den Gästen, vorzutreten. Als sie an den Hunden vorbeiliefen, spürte Wynter, wie sich Razis Griff um ihre Hand verstärkte, doch sobald sie näher am Tisch waren, ließ er sie los.
Nun setzte sich der Rotblonde mit verschränkten Armen in Bewegung und baute sich neben dem Stuhl des männlichen Zwillings auf. Sein Lächeln war verschwunden. Wynter bemerkte, dass Wari sie ernst betrachtete, und auch die Zwillinge hatten ihre fröhlichen Mienen abgelegt. Alle trugen dieselbe gemessene Erwartung im Gesicht. Úlfnaor lehnte sich noch weiter in seinen Stuhl zurück und sah sie herausfordernd an.
Aha , dachte Wynter, jetzt kommt die Etikette . Sie wartete darauf, dass Christopher das Wort ergreifen würde, und als zunächst langes Schweigen folgte, musste sie sich verkneifen, ihn anzustupsen. Sie konnte Razi leise neben sich atmen hören, er trat von einem Fuß auf den anderen. Immer noch kein Wort von Christopher. Allmählich fragte sich Wynter, ob sie seinen Überblick über
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