Moorehawke 02 - Geisterpfade
gerötet, und die Merroner freuten sich diebisch.
Etwas verunsichert musterte Wynter ihre schmunzelnden Mienen. »Was denn?«, fragte sie.
»Ach, sie sind nur albern. Weil sie uns klein finden.«
»Sag schon«, ließ sie nicht locker.
Widerstrebend murmelte Christopher: »Sie haben gesagt, dass wir zwei kleine Mäuse sind und …« Das Rot auf seinem Gesicht vertiefte sich. »Unsere Kinder werden so winzig sein, dass sie in einer Eichel schlafen können.«
Wynter spürte, wie ihre Wangen aufleuchteten.
Die blasse Dame bekam Mitleid mit dem zutiefst verlegenen Paar, stand auf und streckte ihren Arm aus. »Willkommen an unserem Tisch, Iseult.« Sie schüttelte Wynter die Hand.
Bei ihrer Berührung stutzte Wynter. Vor sich hatte sie eine Stammesfrau von mindestens fünfundzwanzig Lebensjahren, doch ihre Hand war so weich und sauber wie die eines Neugeborenen. Wynter konnte es nicht fassen. Selbst die Finger der behüteten Frauen am Hofe waren vom jahrelangen Nähen rau, und ihre Nägel häufig schwarz vom Ruß. Die
dieser Frau dagegen waren so makellos wie frischer Schnee. Vor lauter Verwunderung glotzte Wynter völlig selbstvergessen wie eine Schwachsinnige auf die Hand, die sie in ihrer eigenen hin und her und hin und her drehte.
Razi raunte ihr ein bestürztes » Schwester « zu, und Wynter kam mit einem Ruck wieder zu sich und hob den Kopf. »O du meine Güte!«, rief sie entsetzt. »Vergebt mir! Eure Hände sind einfach so wunderschön! Noch nie habe ich …«
Leicht gequält verzog die Dame die Lippen und entwand sich Wynters Griff. Sämtliche Merroner am Tisch wirkten plötzlich ein wenig befremdet und ernst, und Wynter bemerkte, dass alle Christopher ansahen. Er wiederum betrachtete mit großen Augen die Frau, und auf seiner Miene zeichnete sich ungläubiges Begreifen ab. Die Dame selbst hielt sich sehr gerade und unbewegt, den Blick auf Christopher ruhend. Zögerlich ließ er die Augen zu der Hand ihres Zwillingsbruders wandern, und Wynter tat es ihm gleich und stellte fest, dass er ebenfalls unfassbar saubere, glatte Haut und wunderschön gepflegte Nägel besaß. Ganz langsam hob Christopher den Blick. Der Merroner schenkte ihm ein wissendes, wehmütiges Lächeln und nickte.
» Caoirigh Beo «, flüsterte Christopher. Er drehte sich zu Úlfnaor um, der seinem Blick ausdruckslos begegnete. Unter den Merroneredlen war nun leichte Anspannung zu spüren, und sie musterten die Fremden abwechselnd.
Da räusperte sich Razi. »Verzeiht«, begann er mit unsicherer Stimme. »Aber …«
»Sie sind die Caoirigh Beo «, erklärte Christopher tonlos. »Sie genießen höchste Achtung. Sie sind … sie sind geschützt.« Sein Tonfall duldete keine weiteren Fragen, so dass Razi in vorgetäuschtem Verständnis das Kinn hob und es dabei bewenden ließ.
Niemand sagte etwas, bis der Zwillingsbruder schließlich seine Hand ausstreckte und Christopher gerade in die Augen sah. »Wenn Ihr gestattet, verehrter Mann – würdet Ihr uns die Ehre erweisen, unsere Namen zu hören?«
Christophers graue Augen wirkten unsicher, und Razi und Wynter musterten ihn besorgt. Er musste fortfahren, das war ihm doch sicherlich bewusst? Was auch immer plötzlich in der Luft liegen mochte, er durfte sich nicht verweigern. Christopher holte tief Luft und hielt sie einen Moment lang an, als sammelte er etwas in seinem Inneren. Dann atmete er ruhig aus, seine Miene wurde weicher, und er nahm die angebotene Hand an. »Wenn Ihr gestattet, a dhuine uasail «, sagte er. »Die Ehre wäre ganz auf unserer Seite.«
Rauch
D er Rotblonde verneigte sich knapp und berührte seine Brust, wobei er sein bestrickendes, zahnlückiges Lächeln zeigte. »Erlaubt mir, euch mitzuteilen, dass ich Sólmundr an Fada, mac Angus an Fada, Fear saor , bin.«
Christopher sah ihn eindringlich an. » Fear saor «, flüsterte er. Sólmundr streckte ihm die Hand entgegen, und Christopher schüttelte sie heftig, ein entgeistertes Lächeln auf dem Gesicht. »Seid gegrüßt, Sólmundr.«
Der Angesprochene stockte unter Christophers durchdringendem Blick, dann gab er Razi und Wynter die Hand. Schließlich drehte er sich zu dem Zwillingsbruder um. »Das«, sagte er liebevoll, »ist mein Herr, Ashkr an Domhain .«
Ashkr beugte sich vor, seine Armreife funkelten. Trotz der weichen Haut war sein Händedruck fest und kräftig.
»Seid gegrüßt, Ashkr«, sagte Razi.
Nun wurde seine Schwester als die Edle Embla vorgestellt. Sie nickte Christopher und Wynter zu, dann schenkte
Weitere Kostenlose Bücher