Mops und Möhren
zu mir auf die Matratze und ich bin weg, in einem schwarzen traumlosen Nichts entschwunden.
Beim nächsten Augenöffnen ist es hell. Und bis auf das gleichmäßige Atmen neben mir still. Ich versuche, den toten Hamster in meinem Mund zu ignorieren und drehe mich auf die Seite. Erstaunt stelle ich fest, dass erstens das Kopfweh verschwunden ist und zweitens Arne neben mir liegt. Mit leicht geöffnetem Mund säuselt er durch das Reich der Träume. Mir ist immer noch ein bisschen schwummerig, trotzdem versuche ich aufzustehen. Und es klappt sogar! Meine Beine fühlen sich zwar so wackelig an wie nach der Erstbesteigung des Fernsehturms durchs Treppenhaus, aber ich bleibe in der Senkrechten. Langsam wie eine Schnecke schleiche ich ins Bad und putze erst einmal ausgiebig meine Zähne. Danach bin ich zwar schon wieder schweißgebadet, rieche aber mit Sicherheit nicht mehr nach Kloake. Zum Duschen fehlt mir allerdings die Kraft, obwohl ich es bitter nötig hätte. Verschwitzt und müde tapere ich zurück in mein Zimmer, wo sich mittlerweile Earl und Mudel auf dem Bettvorleger zusammengerollt haben. Die beiden schnauben, als ich über sie wegsteige und mich an Arne kuschele. Der macht keinen Mucks und ein paar Sekunden später bin auch ich wieder eingeschlafen.
Vermutlich habe ich gute drei Stunden gepennt. Als ich aufwache, ist es noch heller im Zimmer. Arne ist weg, und auch die Hunde liegen nicht mehr vor meinem Bett. Ich höre in mich hinein. Außer einem leichten Halskratzen fühle ich nichts Ungewöhnliches. Erleichtert setze ich mich auf und entdecke einen Zettel mit Arnes Handschrift: ›Du bist heute krank geschrieben!‹ Darunter hat er drei Herzchen gemalt … oder jedenfalls malen wollen, es könnten auch schief geratene Luftballons sein. Ich lächele in mich hinein und freue mich. Der Blick aus dem Fenster verrät mir, dass es der perfekte Schrebergartentag ist.
Ich schaffe es ohne Schwindelanfall in die Küche. Dort liegt Earl unter dem Tisch. Mudel hockt neben ihm und schleckt seinem Vater genüsslich die Ohren aus. Auf dem Tisch stehen zwei Kannen, Marmeladen, Butter, Honig, eine kleine Papiertüte aus der Apotheke und frische Croissants. An die Teekanne gelehnt parkt ein weiterer Zettel, geschrieben von Rolf: ›Tanja, wenn du das liest, sind wir … quicklebendig, aber leider arbeiten. :-) Hoffe, es geht dir besser? Trink eine warme Milch mit Honig (Thermoskanne) und dann fahr heute Mittag in den Garten. Der Schlüssel für die Laube hängt am Schlüsselbrett. Küsschen! Rolf & Chris. P.S.: Lutsch die Halstabletten und nimm die Aspirin!‹
»Sind sie nicht süß?«, frage ich die Hunde. Earl sitzt zu meinen Füßen und hat sein Bettelgesicht aufgesetzt – Mops kurz vor dem Hungertod. Mudel steht hinter ihm und wedelt mit dem Schwanz. Das mit der Schnorrerschnauze hat auch er schon ganz gut raus und ich verteile ein in Milch getunktes Croissant an die Hunde. Tut mir leid, Jungs, aber warme Milch geht nun mal gar nicht, ohne dass es mich würgt. Das schmeckt fatal nach Kuh und wenn ich an die Haut denke, die sich oben in der Tasse bildet, bekomme ich grüne Pickel auf der Zunge. Den Tee trinke ich genüsslich und langsam, schlürfe eine aufgelöste Schmerztablette und knabbere mich durch ein halbes Croissant, das ich im Tee vorweiche. So gleitet es fast schmerzfrei durch meinen Hals. Mehr als die Hälfte geht nicht, die restlichen Kalorien muss die Halstablette liefern. Dann fällt mein Blick auf die Stuttgarter Nachrichten, welche die Jungs im Wechsel mit der Stuttgarter Zeitung vom Kiosk holen – und ich staune: Erstens habe ich ganze zwei Tage verpennt und nicht wie gedacht nur einen halben. Und zweitens ist der Aufmacher mit einem Foto geziert, das den Bürgermeister mit einem Krawattenträger beim Handschlag zeigt. Was nichts Ungewöhnliches wäre, solche Leute schütteln sich oft die Hände und grinsen dabei in eine Kamera. Aber dieser Anzugmann ist Investor. Bauinvestor. Der sich sichtlich freut, in Stuttgart eine so zuvorkommende Verwaltung zu finden, um neuen Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu schaffen. Eine gute Sache, wie auch ich zugeben muss. Doch beim Weiterlesen finde ich den Krawattenmann nicht mehr ganz so sympathisch: Für die Neubauten müssten eben einige Gebiete umgestaltet werden Ha! Der ist gut – zu dieser Umgestaltung gehört auch die Kolonie ›Zur Wonne‹, und in unserem Fall heißt das ja wohl: aushungern und dann plattmachen.
»Graaaah!«, knurre ich. Die Hunde springen
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