Mops und Möhren
krächze ich. Allein diese beiden Buchstaben genügen, um in meinem Hals das lodernde Höllenfeuer wieder anzufachen. Zahnschmerzen beim Einsetzen der Regelblutung gepaart mit krampfartigen Blähungen und wummernder Migräne obendrauf sind dagegen ein Spaziergang. Mir schießen die Tränen in die Augen.
»Du glühst«, kommentiert Sandra. Sie ist es wirklich! Hau ab, geh, will ich sagen. Schaffe ich aber nicht.
»Ich mach dir jetzt Wadenwickel und dann nimmst du mal ein Aspirin.«
»Ja, Frau Doktor«, flüstere ich. Tut so zwar auch weh, aber nicht ganz so abartig. Am besten ergebe ich mich in mein Schicksal. Was meine Mutter früher konnte, das wird Sandra ja wohl auch können. Ich fühle mich wie ein Kind.
»Die Jungs besorgen noch was aus der Apotheke, aber die sind erst nachmittags wieder da«, erklärt Sandra und schlägt die Bettdecke zurück.
»Arne?«, will ich wissen.
»Der hat einen Einsatz. Irgendeine Katze.«
»Alice?«
»Ja, ich glaub, sowas war’s«, antwortet Sandra und schiebt meine Pyjamahose bis zu den Knien hoch. Dann wickelt sie ein feuchtes Handtuch um meine Beine.
Ich muss grinsen. Wahrscheinlich hat Frau Jirak mal wieder Lust auf ein Tässchen Kaffee in Gesellschaft. Ich würde gern ein bisschen lästern, aber selbst dazu bin ich zu schwach. Ich muss also wirklich krank sein. Sandra mummelt mich, nachdem die Wickel dran sind, fest in die Bettdecke ein und reicht mir ein Glas.
»Auch wenn’s weh tut – schluck es!«, befiehlt sie.
»Ja, Mama«, hauche ich und biete alle Kräfte auf, um die Schmerztablette am Höllenfeuer vorbei in meinen Magen zu schleusen. Ich wusste gar nicht, dass Trinken so anstrengend sein kann. Mir fallen die Augen zu, kaum dass ich das Glas geleert habe. Ich höre, dass Sandra aus dem Zimmer schleicht. Dann bin ich weg. Weit weg.
Als ich das nächste Mal die Augen aufmache, bin ich klatschnass geschwitzt. Ich wackele mit den Füßen – die Wadenwickel sind weg. Und auch das Wummern im Schädel ist nur noch gedämpft zu spüren. Ich räuspere mich. Gott sei Dank: Ich bin aus der Hölle raus, und mein Hals steht höchstens noch im Vorhof. Ich habe Durst und will mich aufrichten, aber das ganze Zimmer dreht sich. Nach der Hölle nun also der Höllenritt. Stöhnend sinke ich zurück auf mein nasses Kissen. Als das Zimmer zum Stillstand kommt und ich vorsichtig die Augen öffne, entdecke ich die Christkind-Glocke. Das Messingteil haben meine Jungs an Weihnachten benutzt, um mich zur Bescherung zu rufen. Ich greife danach und läute. Ein bisschen fühlt sich das an, als sei ich eine jener anämischen englischen Damen, die nach einem Ohnmachtsanfall auf dem Kanapee ruhen und nach der Dienerschaft läuten. Was im Film klappt, klappt auch bei Tanja live: Kaum habe ich das Glöckchen wieder abgestellt, erscheint mein Engel Chris.
»Prinzessin, endlich wach?« Er beugt sich über mich und streicht mir die fettigen Haare aus der Stirn.
»Äääähhhhgrrrrr«, antworte ich.
»Arne ist unterwegs«, interpretiert meine Krankenschwester Chris. »Und du bleibst fein liegen, ja? Hast du Hunger?«
Ich schüttele den Kopf.
»Durst?«
Ich nicke.
Chris reicht mir einen Becher.
»Kamillentee, trink das, aber langsam«, befiehlt er und hilft mir, mich aufzusetzen. Ich rümpfe die Nase. Kamillentee sieht aus wie Pipi und schmeckt auch so. Zum Glück sind meine Geschmacksnerven außer Dienst, so dass ich es schaffe, den halben Becher Tee zu trinken, ohne dass der sofortige Umkehrschub einsetzt.
»Rolf kocht gerade eine Hühnerbrühe«, gibt Chris bekannt, als ich fix und fertig wie nach einem Halbmarathon nach hinten kippe.
»Wie lieb«, will ich sagen. Schaffe ich aber nicht. Der Schlaf krallt schon wieder nach mir, und ich trudele zurück in das Maschinenhaus. Ich stehe oben auf der Plattform und blicke hinunter auf ein Monstrum aus Stahl. Alles wummert und ein öliger Geruch liegt in der Luft. Auf einem eisernen Kessel, gute 20 Meter unter mir, liegt ein Gänseblümchen. Ich weiß, dass ich es holen muss. Es braucht Wasser. Ich sehe mich um, entdecke eine Leiter und klettere hinab. Am Fuß der Leiter ist wieder eine Plattform. Beim Blick nach unten sehe ich, dass ich der Blume nicht näher gekommen bin. Sie scheint immer tiefer zu liegen.
Neben mir ist eine Röhre. Ich sehe hinein. Alles ist schwarz, aber ich muss hineinsteigen. Mit den Füßen voraus winde ich mich in das Loch – und bin auf einer Rutsche! Es geht rasant abwärts, Rechtskurve, Linkskurve, das
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