Mops und Möhren
erschrocken auf, als ich mit der Faust auf den Tisch haue. »So geht’s nicht!«, rufe ich in die leere Küche. Wie es sonst gehen soll, weiß ich zwar nicht, aber der Adrenalinschub ist gut. Sehr gut sogar, denn mein Kreislauf kommt wieder in Schwung und ich schaffe es, mir ohne neuerlichen Schwindelanfall an Ort und Stelle den verschwitzten Schlafanzug auszuziehen und in die Dusche zu steigen. Heute ist einer der Tage, an denen ich es ganz gut finde, dass die Brause in unserem Altbau in der Küche untergebracht ist, das spart mir einen weiten Weg. Meinen Haaren gönne ich zwei Wäschen plus eine Kur. Erst danach habe ich das Gefühl, dass das Mangoshampoo das komplette Fett beseitigt hat. Mit dem Kokos-Duschgel seife ich mich ebenfalls zwei Mal ein. Der Boiler rattert und ächzt, weil er kaum nachkommt mit der Produktion von heißem Wasser. Nach einer knappen halben Stunde, in der ich mich sogar zwischen den Zehen und hinter den Ohren geschrubbt und mir mit dem Luffaschwamm ein Körperpeeling gegönnt habe, fühle ich mich wieder sauber. Die Tablette wirkt, und als ich mich in ein flauschiges Handtuch wickele, komme ich mir beinahe wieder gesund vor. Den Rest muss Make-up besorgen, aber erst, nachdem ich mir eine Portion parfümierter Bodylotion gegönnt habe. Ich selbst rieche es zwar nicht, aber Mudel, der an meiner Wade schleckt, findet den Rosenduft lecker.
Die Haare muss ich ungestylt lassen. Nach dem Föhnen bin ich ziemlich erledigt und so langt es nur zu einem Zopf. Ich ziehe eine leichte Leinenhose und ein Shirt an, packe vorsichtshalber noch Socken und meine blaue Lieblingsstrickjacke ein und pfeife den Hunden. Earl ist als Erster an der Tür und wedelt mit dem Stummelschwänzchen. Mudel rennt kläffend hinter ihm her.
›STOP! Proviant im Kühlschrank nicht vergessen!‹ Chris’ wackelige Handschrift prangt auf einem knallgelben PostIt an der Tür. Also Kehrtwende und zurück in die Küche, was Earl mit einem missmutigen Bellen quittiert. Wenn er allerdings wüsste, was in der Papiertüte ist, die die Jungs für mich gepackt hatten, würde er vor lauter Vorfreude auf den Teppich sabbern: Neben zwei Sandwiches mit Schinken (für mich) und einer Tupperdose frischen Obstsalates (auch für mich) ist eine Doppelportion ungewürztes Hühnergeschnetzeltes mit Reis dabei. Plus zwei Flaschen Mineralwasser (für mich) und ein Becher fertig gekaufter Eiskaffee. Ich seufze wohlig und starte bester Laune Richtung Laube. Zum Glück kenne ich die Strecke mittlerweile beinahe im Schlaf, denn ein paar Viren scheinen schon noch in meinen Blutbahnen zu zirkulieren, und die Welt sieht ein bisschen aus wie in Watte gepackt. Und hört sich auch so an, weswegen ich das Radio lauter als üblich drehe. Mudel heult begeistert mit, als die Bee Gees vom kalifornischen Sommer jodeln. Earl schaut pikiert aus dem Rückfenster. Der Mops ist beim Autofahren mehr der Klassik-Typ, bei Brahms schläft er sofort ein. Ich allerdings auch, weswegen ich lieber SWR3 höre oder, wenn das zu sehr rauscht, SWR1. Die Oldies dort sorgen jedenfalls für beste Laune, und genauso gut gelaunt hüpfen die Hunde schließlich aus dem Wagen. Mudel, weil er endlich sein Beinchen heben kann, und Earl, weil der schräge Gesang der Brüder Gibb endlich vorbei ist.
So früh und das an einem Wochentag war ich noch nie in der Schrebergartenkolonie. Es ist kurz vor elf und die Gärten liegen wie ausgestorben da. Unser Wagen war der Einzige auf dem Parkplatz und so schlendere ich, das Care-Paket in der Hand, gemütlich durch die schmalen Wege, die aussehen wie geleckt. Einzig ein einsamer kleiner Löwenzahn hat einen Wachstumsversuch im Kies gestartet, aber die nächstbeste Harke wird ihn in die ewigen Jagdgründe befördern.
Das Tor zu Garten Nummer 42 quietscht, was mir angesichts der Stille doppelt so laut vorkommt als sonst. Die Hunde stürmen sofort in den Garten und beschnuppern jedes Blatt und jeden Stängel. Ich greife derweil dem Gartenzwerg neben der Tür in die Hose. Der Wächter aus Plastik verzieht keine Miene, als ich ihm in den Schritt fasse und den Laubenschlüssel heraushole.
»Da bin ich aber ganz andere Töne gewohnt«, scherze ich mit dem Zwerg. Der scheint ein echter Kerl zu sein, denn er reagiert überhaupt nicht.
In der Laube riecht es wie immer abgestanden, da kann auch Chris’ geballte Dekoladung nichts ausrichten. Ich reiße erst einmal alle drei Sprossenfenster auf und schiebe einen Keil unter die Tür. Ordentlich Durchzug und das
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