Mops und Möhren
kann, damit es nicht umfällt. Nina schaut also unter den Büschen am hinteren Zaun nach und ich öffne den goldenen Deckel des Grablichts. Zu meiner Erleichterung ist der Docht noch komplett jungfräulich und am Preisschild am roten Plastikboden erkenne ich, dass sie es hoffentlich gekauft hat.
»Meinst du, der geht?«, fragt Nina und ich fahre herum.
»Äh … ja, klar … Ich wollte das schon mal anzünden«, beeile ich mich zu sagen und fummele mein Feuerzeug aus der Hosentasche. Dann reiche ich Nina die Kerze, zünde sie an und setze den Deckel wieder darauf. Nina verharrt einen Moment regungslos. Selbst Mudel und Earl scheinen von der Situation ergriffen zu sein und hocken mucksmäuschenstill vor dem Rattengrab. Nina schnieft leise, dann kniet sie sich hin und stellt das Grablicht hin. Die Rose platziert sie quer über dem winzigen Erdhaufen. Ich stehe ein bisschen verlegen daneben und beobachte das Mädchen. Ich habe es jetzt schon oft genug erlebt, wie sehr Menschen an ihren Tieren hängen können und mal ehrlich: Wenn ich mir den Großteil der Menschheit so ansehe, dann ist mir eine ehrliche Hundeschnauze, ein fröhlicher Vogel oder eine verschmuste Katze allemal lieber als so manches Mitglied der menschlichen Rasse.
»So!«, ruft Nina nach ein paar Minuten. »Jetzt geht’s mir besser.« Sie sieht mich ein bisschen verlegen an. Ich lächele ihr aufmunternd zu.
»Hunger?«, frage ich das Mädchen. Eigentlich will ich wissen, warum sie nicht in der Schule ist, aber ich ahne, dass das die falsche Frage ist.
»Ja, schon, aber ich habe nichts dabei, habe mein Vesper vergessen«, antwortet Nina.
»Macht nichts, dann teilen wir uns meine Sachen, ich habe sowieso keinen so großen Appetit.«
»Cool!« Nina strahlt mich an. »Sie sind echt nett.«
»Du.«
»Ich?«
»Du bist auch nett, aber ich meine – sag DU zu mir. Sonst fühle ich mich so alt. Und außerdem waren wir schon per Du, wenn ich mich recht erinnere.«
»Okay, ja, also du bist echt nett.« Earl mischt sich mit einem heiseren Wuff ein.
»Und du bist der Netteste von allen«, lache ich und streichle dem Mops über den Kopf. Was Mudel so natürlich nicht stehen lassen kann, auch er verlangt nach einer kurzen Streicheleinheit. Dann decken wir den kleinen Tisch auf der maroden Holzterrasse. Die Hälfte der Planken muss dringend ausgetauscht werden. Sie sind so morsch, dass man befürchten muss, jeden Moment einzubrechen. Aber noch hält das Holz, und so können Nina und ich unser Mahl aus den beiden Sandwiches, dem Obstsalat und einer Packung Schokokekse aus der Laube genießen. Für mich fühlt es sich an wie Schuleschwänzen. Für Nina ist es das wahrscheinlich wirklich, aber ich verkneife mir weiterhin jeden Kommentar. Bin ja nicht die Erziehungsberechtigte hier! An einem ganz normalen Wochentag, wenn Arne Dienst schiebt, einen Lenz machen hat was, wie ich zugeben muss. Auch wenn ich mich schon fitter gefühlt habe, aber die Luft in der Kolonie ist wie Balsam für meinen Hals.
Mudel und Earl haben ihre Bettelpositionen neben dem Tisch eingenommen. Der Mops macht ein Gesicht, als habe er seit vier Wochen kein Knöchelchen gefressen und Mudel steht ihm in nichts nach. Nina kann dem Hundeblick nicht lange Stand halten und teilt ihr Sandwich mit den beiden Bettlern.
»Sag mal, hast du schon an ein neues Haustier gedacht?«, frage ich und hoffe, da nicht in einer Wunde zu stochern. Sie hing schon sehr an ihrer Ratte und manche Tierbesitzer brauchen Monate, um sich vom Tod des Tieres zu erholen. Sie durchlaufen dieselben Trauerphasen wie Menschen, die einen Angehörigen verloren haben. Nina bricht zum Glück nicht in Tränen aus, schüttelt aber traurig den Kopf.
»Das würde mein Vater nicht erlauben. Er hat das Terrarium schon verkauft.«
»Oh.«
»Na ja, kann man nichts machen.« Das klingt resigniert. Und ein bisschen wütend.
»Mag er denn keine Tiere?«
»Das ist es nicht.« Nina seufzt und knabbert an einem Keks, ehe sie weiterspricht. »Er findet das zu teuer. Und im Moment kann er jeden Euro brauchen, wie er sagt. Er spart.«
»Ein echter Schwabe also!«, versuche ich zu scherzen. Nina grinst nur schief.
»Er spart auf ein Boot.« So, wie sie ›Boot‹ sagt, könnte man meinen, es handele sich um eine durchlöcherte Fregatte für die Badewanne. Scheint es aber nicht zu sein, wie ich dann erfahre. Ninas Vater stammt eigentlich aus Hagnau am Bodensee. Über Beziehungen ist es ihm gelungen, einen der heiß begehrten Liegeplätze im
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