MoR 01 - Die Macht und die Liebe
daß er in einer Gruppe von Römern nie auffallen würde.
Die Unterbrechung ernüchterte Metellus, besänftigte jedoch kaum Marius’ Zorn. Keiner der beiden Streithähne machte Anstalten, sich wieder hinzusetzen. Der junge Metellus stand seitlich an einer Wand, erschreckt und aufgeregt. Er liebte seinen Vater abgöttisch, war jetzt aber völlig ratlos, vor allem wenn er an die unzähligen Demütigungen dachte, die er Marius zugefügt hatte, seit sein Vater ihn zum Kommandanten der Garnison Utika bestellt hatte. Jetzt sah der junge Metellus zum erstenmal einen ganz anderen Marius vor sich: körperlich riesengroß und von einer Tapferkeit, einem Mut und einer Intelligenz, die die Fähigkeiten eines Caecilius Metellus weit überstiegen.
»Ich denke es hat keinen Sinn, dieses Gespräch fortzusetzen, Gaius Marius«, sagte Metellus und preßte seine Hände mit den Handflächen nach unten auf den Schreibtisch, damit Marius nicht merkte, wie sehr sie zitterten. »Warum hast du mich überhaupt aufgesucht?«
»Ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, daß ich die Absicht habe, Ende des nächsten Sommers aus dem Dienst in deinem Heer auszuscheiden«, antwortete Marius. »Ich will nach Rom zurückkehren und mich der Wahl zum Konsul stellen.«
Metellus sah aus, als traue er seinen Ohren nicht. »Du willst was?«
»Ich werde nach Rom gehen und für das Konsulat kandidieren.«
»Nein, das wirst du nicht«, rief Metellus. »Du bist mein erster Legat - und obendrein mit dem imperium eines Proprätors ausgestattet - für die Zeit meiner Statthalterschaft in der Provinz Africa. Meine Frist ist soeben verlängert worden. Und somit auch die deine.«
»Du kannst mich freigeben.«
»Falls ich dich freigeben möchte. Aber das möchte ich nicht«, entgegnete Metellus. »Wenn es nach mir ginge, Gaius Marius, würde ich dich glattweg hier in der Provinz vergraben für den Rest deines Lebens!«
»Zwinge mich nicht, etwas Häßliches zu tun, Quintus Caecilius«, sagte Marius mit ruhiger, freundlicher Stimme.
»Dich wozu zwingen? Mach, daß du hier rauskommst, Marius! Verschwinde und tu etwas Nützliches - hör auf, meine Zeit zu verschwenden!« Metellus fing einen Blick seines Sohnes auf und lächelte ihm verschwörerisch zu.
»Ich bestehe darauf, daß ich vom Dienst in diesem Krieg entbunden werde, damit ich mich im kommenden Herbst in Rom um das Konsulat bewerben kann.«
Ermutigt vom wachsenden Ausdruck erhabener und gleichmütiger Überlegenheit in der Haltung seines Vaters, brach Metellus das Ferkel in unterdrücktes Gekicher aus, was wiederum seinen Vater zu wahren Geistesblitzen anspornte.
»Hör mir gut zu, Gaius Marius«, sagte Metellus mit einem milden Lächeln. »Du bist jetzt beinahe fünfzig Jahre alt. Mein Sohn ist zwanzig. Darf ich dir vorschlagen, daß du dich im selben Jahr wie er zur Konsulwahl stellst? Bis dahin hast du vielleicht gerade so viel gelernt, daß du auf den Stuhl eines Konsuls paßt! Und ich bin sicher, daß mein Sohn dir liebend gern ein paar nützliche Ratschläge erteilen wird.«
Der junge Metellus brach jetzt in schallendes Gelächter aus.
Marius blickte beide unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an, sein Adlergesicht war stolzer und hochmütiger denn je. »Ich werde Konsul sein«, sagte er. »Du kannst dich darauf verlassen, Quintus Caecilius, ich werde Konsul sein - nicht einmal, sondern siebenmal!«
Und er verließ das Zimmer. Vater und Sohn sahen ihm mit einer Mischung aus Verwirrung und Furcht nach. Merkwürdigerweise konnten sie gar nichts Amüsantes an dieser vermessenen Behauptung finden.
Am nächsten Tag ritt Marius nach Karthago zurück und bat um eine Audienz bei Prinz Gauda.
Als Marius vorgelassen wurde, beugte er ein Knie tief zu Boden und drückte seine Lippen auf Gaudas feuchte, schwammige Hand.
»Steh auf, Gaius Marius!« rief Gauda hocherfreut. Der Anblick dieses eindrucksvollen Mannes, der ihm so respektvoll und bewundernd huldigte, entzückte ihn.
Marius erhob sich ein Stück weit, sank dann auf beide Knie nieder und streckte die Hände aus. »Königliche Hoheit«, begann er, »ich bin nicht würdig, in deiner Gegenwart zu stehen, denn ich bin als demütiger Bittsteller gekommen.«
»Steh auf, steh auf«, krähte Gauda, noch entzückter als zuvor. »Ich werde mir keine Bitte anhören, solange du vor mir kniest! Komm, setz dich zu mir und erzähle, was du auf dem Herzen hast.«
Gauda deutete auf einen Stuhl, der neben ihm stand - aber eine Stufe tiefer als der
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