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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gefärbt, und beim Gehen klimperten Dutzende von Glöckchen, Armbändern, Ringen und Kinkerlitzchen an ihrem Körper, alle aus echtem Gold. Ein Kamm, ebenfalls aus echtem Gold, hielt an ihrem Hinterkopf einen Gazeschleier aus tyrischem Purpur fest, der ihr schlaff auf den Rücken fiel wie eine Fahne bei Windstille.
    »Setz dich, Gaius Marius«, sagte sie und zeigte mit einer langen Kralle auf einen Stuhl. An dem knorrigen Finger blitzten etliche Ringe.
    Marius tat, wie ihm geheißen, unfähig, den Blick von Marthas altem, sonnengebräuntem Gesicht zu wenden. »Prinz Gauda hat mir erzählt, du habest prophezeit, ich würde der Erste Mann in Rom werden«, begann er und mußte sich räuspern. »Ich würde gern mehr darüber hören.«
    Sie brach in ein meckerndes Gelächter aus, wie man es oft von alten Frauen hört, und zeigte dabei ihren Gaumen, der bis auf einen gelben Schneidezahn zahnlos war. »Das will ich wohl glauben«, rief sie und klatschte in die Hände. Ein Diener kam. »Bring uns einen Tee aus getrockneten Blättern und ein paar von den kleinen Kuchen, die ich so gerne mag«, befahl sie. Dann wandte sie sich an Gaius Marius: »Es wird nicht lange dauern. Wenn der Tee und der Kuchen da sind, werden wir reden. Bis dahin werden wir schweigen.«
    Da Marius sie nicht verärgern wollte, saß er schweigend da, wie sie es ihm befohlen hatte, und als das dampfende Getränk kam, trank er einen Schluck aus der Tasse, die sie ihm reichte. Er schnupperte mißtrauisch, seine Sinne waren wachsam. Das Gebräu schmeckte gar nicht so schlecht, aber da er nicht an heiße Getränke gewöhnt war, verbrannte er sich die Zunge und stellte die Tasse weg. Martha war offenbar eine Kennerin. Genüßlich nahm sie so kleine Schlucke wie ein Vogel aus ihrer Tasse und ließ sie mit einem hörbaren Laut des Wohlgefallens hinuntergluckern.
    »Ein köstliches Getränk, aber du trinkst wahrscheinlich lieber Wein.«
    »Ganz und gar nicht«, murmelte er höflich.
    »Nimm einen Kuchen«, nuschelte sie mit vollem Mund.
    »Vielen Dank, aber lieber nicht.«
    »Schon gut, schon gut, ich verstehe den Wink mit dem Zaunpfahl«, sagte sie und spülte ihren Mund mit einem weiteren Schluck der heißen Flüssigkeit leer. Gebieterisch streckte sie eine Klaue aus: »Gib mir deine rechte Hand.«
    Er gab sie ihr, und sie packte sie fest.
    »Dir ist eine große Zukunft beschieden, Gaius Marius«, sagte sie, während ihre Augen neugierig über die vielen Linien in seiner Hand huschten. »Was für eine Hand! Sie gibt allem Gestalt, was sie anfaßt. Und was für eine Kopflinie! Sie regiert dein Herz, sie regiert dein Leben, sie regiert alles - bis auf die Spuren der Zeit, Gaius Marius, und ihnen kann niemand widerstehen. Aber du wirst vielem widerstehen, dem andere Menschen unterliegen. Da ist eine schreckliche Krankheit... Aber du wirst sie überstehen, wenn sie das erste Mal kommt, und sogar beim zweiten Mal... Es gibt Feinde, Feinde in Scharen... Aber du wirst sie besiegen... Du wirst Konsul werden in dem Jahr nach dem Jahr, das gerade beginnt, also im nächsten Jahr... Und danach wirst du noch sechsmal Konsul werden... Siebenmal wirst du insgesamt Konsul sein, und man wird dich den ›Dritten Gründer Roms‹ nennen, denn du wirst Rom aus der schwersten aller Gefahren retten!«
    Er spürte, daß sein Gesicht brannte, so heiß wie ein Speer, den man im Feuer erhitzt hat. Sein Kopf dröhnte, alles drehte sich, und sein Herz hämmerte wie ein hortator , der mit seinem Trommeln die Soldaten anspornt, wenn sie mit dem Rammbock gegen eine Mauer anrennen. Vor seinen Augen hing ein dichter roter Schleier. Sie sprach die Wahrheit, er wußte es.
    »Du besitzt die Liebe und die Achtung einer großen Frau«, fuhr Martha fort, während sie die kleineren Linien in seiner Haut berührte, »und ihr Neffe wird der größte Römer aller Zeiten sein.«
    »Nein, das bin ich«, widersprach er schnell. Seine Erregung war bei dieser weniger schmeichelhaften Ankündigung mit einem Schlag verflogen.
    »Nein, ihr Neffe wird der größte Römer sein«, sagte Martha hartnäckig. »Ein viel größerer Mann als du, Gaius Marius. Er hat denselben Vornamen wie du, er heißt auch Gaius. Aber sein Familiennamen ist der ihre, nicht der deine.«
    Diese Prophezeiung grub sich tief in sein Gedächtnis ein, so tief, daß er sie nie mehr vergessen würde. »Und was ist mit meinem Sohn?« fragte er.
    »Auch dein Sohn wird ein großer Mann sein. Aber nicht so groß wie sein Vater, und er wird auch

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