Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
sie vor schlechten Feldherren schützen!«
    Metellus hatte sich aufgerichtet, starr und mit zusammengepreßten Lippen stand er da. »Es steht dir nicht zu, Gaius Marius, die Weisheit der höchsten gesetzgebenden Körperschaft in unserem Staat zu kritisieren!« sagte er. »Was glaubst du denn, wer du bist?«
    »Ich glaube, du hast mir schon einmal mitgeteilt, wer ich bin, Quintus Caecilius, vor vielen Jahren. Soweit ich mich erinnere, hast du mich einen italischen Bauern ohne Griechischkenntnisse genannt. Und das mag stimmen. Aber das nimmt mir nicht die Berechtigung, einen Kommentar zu einer Sache abzugeben, die ich nach wie vor für einen schlechten Gesetzesentscheid halte«, sagte Marius mit ruhiger Stimme. »Wir - und mit ›wir‹ meine ich den Senat, dem ich ebenso angehöre wie du - erlauben, daß eine ganze Schicht unserer Bürger ausstirbt, weil wir weder den Mut noch die Geistesgegenwart besitzen, all den sogenannten Feldherren das Handwerk zu legen, die jetzt schon jahrelang ins Feld ziehen. Das Blut römischer Soldaten ist nicht dazu da, verschwendet zu werden, Quintus Caecilius!«
    Marius stand auf, beugte sich über Metellus’ Schreibtisch und fuhr mit seiner leidenschaftlichen Rede fort. »Am Anfang, als wir unseren Heeresdienst eingerichtet haben, gingen die Feldzüge nach Italien. Die Männer konnten jeden Winter nach Hause zurückkehren, sich um ihre Höfe kümmern, Söhne zeugen und ihre Frauen beaufsichtigen. Aber wenn sich ein Mann heute freiwillig zum Waffendienst meldet oder eingezogen wird, wird er mit dem Schiff über das Meer gebracht, und der Feldzug dauert nicht einen einzigen Sommer, sondern zieht sich über Jahre hin. Jahre, in denen die Soldaten nicht ein einziges Mal nach Hause kommen. Es kann also gut sein, daß sechs Feldzüge einen Mann zwölf oder gar fünfzehn Jahre kosten - in einem fremden Land! Gaius Gracchus hat sein Gesetz erlassen, weil er die Zeit begrenzen wollte, weil er verhindern wollte, daß die kleinen Bauernhöfe in Italien zur Beute reicher Viehzüchter werden, die in großem Stil mit Land spekulieren!« Marius holte tief Luft und sah Metellus ironisch an. »Aber ich habe etwas Wichtiges vergessen, nicht wahr, Quintus Metellus? Du bist doch selbst ein reicher Viehzüchter, der in großem Stil mit Land spekuliert, nicht wahr? Und es paßt dir sehr gut, wenn diese kleinen Höfe in deinen Schoß fallen, weil die Männer nicht zu Hause sein und sie versorgen können, sondern auf irgendeinem fernen Schlachtfeld sterben, nur wegen aristokratischer Besitzgier und Nachlässigkeit!«
    »Aha! Jetzt haben wir es!« rief Metellus, sprang auf und hielt sein Gesicht dicht vor Marius’ Gesicht. »Das also ist es! Aristokratische Besitzgier und Nachlässigkeit, wie? Dann will ich dir mal ein oder zwei Kleinigkeiten sagen, Gaius Marius, du Emporkömmling! Eine Julia aus dem Hause Julius Caesar macht aus dir noch lange keinen Aristokraten!«
    »Darauf kann ich auch verzichten«, schnaubte Marius. »Ich verachte das ganze Aristokratenpack - mit einer einzigen Ausnahme, und das ist mein Schwiegervater, dem es wie durch ein Wunder gelungen ist, ein anständiger Mensch zu bleiben, trotz seiner vornehmen Herkunft!«
    Ihre Stimmen waren längst zu einem durchdringenden Gebrüll angeschwollen, und in den Vorzimmern spitzten alle die Ohren.
    »Gib’s ihm, Gaius Marius!« rief ein Militärtribun und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Würg ihm ordentlich eine rein, Gaius Marius!« sagte ein anderer und rieb sich die Hände.
    »Scheiß doch auf den verdammten fellator , Gaius Marius!« feuerte ihn ein dritter an und grinste.
    Offensichtlich mochten alle Gaius Marius viel lieber als Quintus Caecilius Metellus, vom Offizier bis hinunter zum einfachen Soldaten.
    Aber das Gebrüll war noch weiter als bis in die Vorzimmer gedrungen. Es dauerte nicht lange, und der Sohn des Konsuls, der junge Quintus Caecilius Metellus, stürmte ins Vorzimmer. Alle Soldaten des Stabes beugten sich über ihre Schriftrollen und schienen eifrig zu schreiben. Metellus das Ferkel schenkte ihnen nicht einen Blick, sondern riß sofort die Tür zum Zimmer seines Vaters auf.
    »Vater, eure Stimmen sind meilenweit zu hören!« rief er und warf Marius einen haßerfüllten Blick zu.
    Der junge Metellus sah seinem Vater äußerlich sehr ähnlich. Er war wie dieser von durchschnittlicher Größe und Gestalt, hatte braune Haare, braune Augen, sah weder besonders gut noch besonders schlecht aus, sondern so durchschnittlich,

Weitere Kostenlose Bücher