MoR 01 - Die Macht und die Liebe
aus der römischen Provinz Africa bei jedem wichtigen Mann und jeder politisch bedeutenden Körperschaft Roms ein. Mit jedem Schiff kamen sie säckeweise. In einem der ersten Briefe schrieb Marcus Caecilius Rufus, ein römischer Bürger, der im Tal des Flusses Bagradas etliche hundert iugera Land besaß und den römischen Markt mit umfangreichen Getreidelieferungen versorgte:
Quintus Caecilius Metellus hat sich in Africa vor allem um seine eigenen Interessen gekümmert. Es ist meine wohlüberlegte Meinung, daß er beabsichtigt, diesen Krieg in die Länge zu ziehen, weil er seinen Ruhm mehren und seine Machtgelüste befriedigen will. Letzten Herbst ließ er wissen, er werde numidisches Getreide verbrennen und numidische Städte plündern, besonders jene Städte, in denen große Schätze lagern, um König Jugurthas Position zu schwächen. Seither sind meine Ländereien sowie die Ländereien vieler anderer römischer Bürger in dieser Provinz in Gefahr, denn numidische Stoßtrupps schlagen überall in der Provinz zurück. Das gesamte Bagradas-Tal, das für die Getreideversorgung von Rom so wichtig ist, lebt in Furcht und Schrecken von einem Tag zum anderen.
Außerdem ist mir und vielen anderen zu Ohren gekommen, daß Quintus Caecilius Metellus nicht einmal seine Legaten, geschweige denn sein Heer ordentlich führen kann. Er hat absichtlich die Talente so altgedienter und tüchtiger Männer wie Gaius Marius und Publius Rutilius Rufus verschwendet, indem er den einen mit der Führung seiner unbedeutenden Reiterei betraut, den anderen zum praefectus fabrum gemacht hat. Sein Betragen gegenüber Prinz Gauda, den der Senat und das Volk von Rom als den rechtmäßigen Herrscher von Numidien betrachten, war unerträglich arrogant, unbedacht und gelegentlich sogar grausam.
Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß die wenigen Erfolge, die beim Feldzug des letzten Jahres errungen wurden, einzig und allein Gaius Marius und Publius Rutilius Rufus zu verdanken sind. Soweit ich sehe, ist ihnen weder Dank noch Anerkennung zuteil geworden. Ich möchte Gaius Marius und Publius Rutilius Eurer Aufmerksamkeit empfehlen und meine schärfste Mißbilligung über das Verhalten von Quintus Caecilius Metellus zum Ausdruck bringen!
Dieses Schreiben war an einen der größten und wichtigsten Getreidehändler in Rom gerichtet, einen Mann mit unglaublichem Einfluß auf Senatoren und Ritter. Nachdem er von Metellus’ Versäumnissen Kenntnis erhalten hatte, äußerte er natürlich lautstark seinen Unmut, und seine Stimme erreichte in kürzester Zeit viele interessierte Zuhörer. Und als die Tage vergingen und die Flut von Briefen immer mehr anschwoll, gesellten sich seiner Stimme viele weitere Stimmen hinzu. Den Senatoren wurde es höchst unbehaglich, wenn sie nur von weitem einen Kaufmann oder einen Bankier oder einen Großreeder sahen, und die selbstgefällige Zufriedenheit der unermeßlich reichen Sippe Caecilius Metellus wich der Bestürzung.
Quintus Caecilius, der Prokonsul in der Provinz Africa, erhielt nun seinerseits viele Briefe aus Rom, die meisten von Mitgliedern seiner weitverzweigten Familie. Man mahnte ihn, er solle behutsamer mit Prinz Gauda umgehen, seine Legaten rücksichtsvoller behandeln als seinen eigenen Sohn und, wenn möglich, endlich einen Durchbruch im Kampf mit Jugurtha erzielen.
Und dann kam der Skandal von Vaga. Die Stadt Vaga, die sich im letzten Herbst Metellus ergeben hatte, rebellierte, und viele italische Kaufleute wurden niedergemetzelt. Jugurtha hatte die Revolte geschürt - mit der stillschweigenden Duldung von keinem Geringeren als dem Garnisonskommandanten Turpillius, einem persönlichen Freund von Metellus. Metellus beging den Fehler, Turpillius zu verteidigen, nachdem Marius öffentlich gefordert hatte, den Kommandanten wegen Hochverrat vor ein Kriegsgericht zu stellen. Als diese Geschichte in Hunderten von Briefen nach Rom berichtet wurde, hatte es bereits den Anschein, Metellus selbst wäre ebenso des Hochverrats schuldig wie Turpillius. Die römischen Mitglieder der Familie Caecilius Metellus schickten nun noch sehr viel mehr Briefe an ihren verehrten Quintus Caecilius in Utika. Sie ermahnten ihn dringend, seine Freunde sorgfältiger auszuwählen, wenn er sie denn unbedingt bei Anklagen wegen Hochverrat selbst verteidigen wolle.
Viele Wochen gingen ins Land, bis Metellus sich davon überzeugen ließ, daß Gaius Marius der Urheber der römischen Briefkampagne war. Und als er es endlich glauben
Weitere Kostenlose Bücher