MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Prinzenthron. Marius verbeugte sich den ganzen Weg bis zu diesem Stuhl immer wieder tief und setzte sich dann auf die äußerste Kante, als würde ihm der Glanz des Prinzen, der bequern saß, so viel Ehrfurcht einflößen, daß er selbst nur unbequem dasitzen durfte.
»Als du dich unter meine Klienten einreihen wolltest, königliche Hoheit, habe ich diese außerordentliche Ehre angenommen, weil ich glaubte, ich könnte in Rom für deine Sache eintreten. Denn ich hatte vor, mich im Herbst den Konsulwahlen zu stellen.« Marius hielt inne und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber das soll leider nicht sein! Quintus Caecilius Metellus bleibt in der Provinz Africa, denn seine Zeit als Statthalter wurde verlängert - und das bedeutet, daß ich als sein Legat nicht ohne seine Erlaubnis aus dem Dienst ausscheiden kann. Als ich ihm nun eröffnete, ich wolle mich zum Konsul wählen lassen, weigerte er sich, mich freizugeben, und verbot mir, Africa auch nur einen Tag vor ihm zu verlassen.«
Der edle Sproß des numidischen Königshauses erstarrte vor Zorn, denn wie alle verhätschelten Kranken war er leicht zu erzürnen. Er erinnerte sich sehr gut daran, daß Metellus zu seiner Begrüßung nicht aufgestanden war, daß er sich nicht tief genug verbeugt hatte, daß er keinen Thron aufgestellt und ihm keine römische Eskorte gegeben hatte. »Aber das ist völlig unvernüftig, Gaius Marius!« empörte sich Gauda. »Wie können wir ihn zwingen, seine Haltung zu ändern?«
»Hoheit, welche Intelligenz - mit welcher Schnelligkeit hast du die Lage erfaßt, ich bin tief beeindruckt!« rief Marius aus und schien einen Augenblick sprachlos. »Genau das müssen wir tun! Wir müssen ihn zwingen, seine Haltung zu ändern.« Marius hielt inne. »Ich weiß, was du mir vorschlagen wirst, aber vielleicht sollte es besser über meine Lippen kommen als über deine, denn es ist ein schmutziges Geschäft. Darum bitte ich dich um die Erlaubnis, es an deiner Stelle aussprechen zu dürfen!«
»Sprich es aus«, bat Gauda huldvoll.
»Königliche Hoheit, Rom und der Senat und selbst das Volk in seinen beiden Versammlungen müssen mit Briefen überschwemmt werden! Mit Briefen von dir - und von jedem einzelnen Städter, Landbewohner, Getreideanbauer, Kaufmann und Makler in der gesamten Provinz Africa. Sie müssen Rom darüber aufklären, wie stümperhaft wie ganz und gar unzulänglich Quintus Caecilius Metellus diesen Krieg gegen den numidischen Feind geführt hat. Aus den Briefen muß hervorgehen, daß die wenigen Erfolge, die wir erringen konnten, ohne Ausnahme mir zu verdanken waren und nicht Quintus Caecilius Metellus. Wir brauchen Tausende von Briefen, mein Prinz! Und es genügt nicht, daß sie nur einmal geschrieben werden, sie müssen wieder und wieder geschrieben werden, bis Quintus Caecilius Metellus nachgibt und mir gestattet, nach Rom zu gehen, damit ich mich zur Wahl als Konsul stellen kann.«
Gauda wieherte selig. »Ist es nicht wahrhaft erstaunlich, Gaius Marius wie sehr unsere Gedanken in Einklang stehen? Briefe sind genau das Mittel, das ich auch vorschlagen wollte!«
»Das wußte ich, wie schon gesagt«, erwiderte Marius anerkennend. »Aber ist das möglich, Hoheit?«
»Möglich? Natürlich ist es möglich!« sagte Gauda. »Dazu braucht man nur Zeit, Einfluß und Geld - und ich denke, Gaius Marius, daß wir beide zusammen eine Menge mehr Zeit und Einfluß und Geld zusammenbringen können als Quintus Caecilius Metellus, meinst du nicht auch?«
»Auf alle Fälle hoffe ich es«, erwiderte Marius.
Natürlich ließ Marius es dabei nicht bewenden. Er gab seine Pflichten im Dienst von Metellus als Grund dafür an, daß er soviel herumreisen mußte, und suchte persönlich jeden wichtigen römischen, latinischen und italischen Mann vom einen Ende der Provinz bis zum anderen auf. In seinem Gepäck führte er ein geheimes Schreiben von Prinz Gauda mit, in dem der Prinz Numidiens alle möglichen Zugeständnisse für die Zeit seiner Herrschaft versprach und in dem er alle bat, sich als Klienten von Gaius Marius einzuschreiben. Weder Regen noch Matsch noch reißende Flüsse konnten Gaius Marius aufhalten. Er reiste unermüdlich umher, schrieb Tausende von Klienten ein und sammelte Versprechen für Briefe, Briefe und nochmals Briefe. Abertausende von Briefen. So viele Briefe, daß sie Quintus Caecilius Metellus von seinem hohen Roß in den Abgrund des politischen Untergangs stürzen würden.
Ab Februar trafen nach und nach unzählige Briefe
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