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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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hatte Sulla bestimmte Pflichten und konnte seine Zeit nicht nach Gutdünken verbringen.
    Zwar ergab sich aus dem Quästorenamt kein traditioneller Klientenstatus auf Lebenszeit, wohl aber war Sulla jetzt formal Marius’ Klient, solange er das Amt innehatte, und dies würde solange der Fall sein, wie Marius sein imperium behielt, aller Voraussicht nach länger als ein Kalenderjahr. Ein Klient lag nicht bis in den Morgen hinein mit seiner frisch angetrauten Ehefrau im Bett, ein Klient stellte sich im Hause seines Patrons ein, wenn das erste Licht den Horizont heller färbte, und stand dort zu Diensten. An manchen Tagen wurde er höflich wieder nach Hause geschickt, an anderen Tagen wurde er gebeten, seinen Patron zum Forum Romanum oder zu einer der 9 Basiliken zu begleiten und ihm bei der Abwicklung privater oder öffentlicher Angelegenheiten behilflich zu sein, und manchmal erhielt er den Auftrag, für seinen Patron irgend etwas zu erledigen.
    Zwar kam Sulla nicht so spät, daß er einen Tadel verdient hätte, aber das riesige Atrium in Marius’ Haus war schon dicht mit Klienten gefüllt, die vor ihm zur Stelle gewesen waren. Sulla kam zu dem Schluß, daß manche von ihnen sogar auf der Straße vor Marius’ Tür geschlafen haben mußten, denn normalerweise wurden sie in der Reihenfolge vorgelassen, in der sie eingetroffen waren. Seufzend verzog sich Sulla in eine stille Ecke und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein.
    Manche großen Männer beschäftigten Sekretäre und nomenclatores , die den morgendlichen Fang an Klienten sortierten. Die kleinen Fische schickten sie sofort wieder weg und nur die dicken und interessanten Fische ließen sie zu dem großen Mann vor. Aber Gaius Marius sortierte seinen Fang selber, wie Sulla anerkennend feststellte, ein Helfer war nirgendwo zu sehen. Dieser große Mann, ein bereits zum Konsul Gewählter, der deshalb für viele in Rom ungeheuer wichtig war, tat seine schmutzige Arbeit ruhig und rasch. Er trennte die Bedürftigen mit größerer Treffsicherheit von den Pflichtschuldigen als jeder Sekretär. Innerhalb von zwanzig Minuten waren die vierhundert Männer, die sich im Atrium drängten und bis in den Säulengang des Peristyls hinein standen, sortiert und geordnet. Über die Hälfte von ihnen ging zufrieden weg, jeder Freigelassene und jeder freie Klient aus niedriger Stellung nahm eine kleine Gabe mit, die ihm ein lächelnder Marius mit entschuldigender Geste in die Hand gedrückt hatte.
    Er mag ein homo novus sein, dachte Sulla, und er mag ein italischer Bauer sein, aber er weiß sich zu benehmen. Kein Fabius und kein Aemilius hätte die Rolle des Patrons besser spielen können. Es war nicht nötig, die Klienten großzügig zu beschenken, wenn sie nicht ausdrücklich darum baten, und auch dann lag es im Ermessen des Patrons, nein zu sagen. Aber Sulla sah an der Haltung derer, die warteten, bis sie an die Reihe kamen, während der künftige Konsul von einem Mann zum anderen ging, daß Marius immer großzügig war. Gleichzeitig gab er stillschweigend zu verstehen, daß jemand, der nur gierig war, bei ihm nichts zu lachen hatte.
    »Lucius Cornelius, du brauchst doch nicht hier draußen zu warten!« sagte Marius, als er in Sullas Ecke ankam. »Geh in mein Arbeitszimmer, setz dich hin und mach es dir gemütlich. Ich komme bald nach, dann können wir miteinander reden.«
    »Aber nein, Gaius Marius«, sagte Sulla und lächelte mit geschlossenen Lippen. »Ich bin hier, um dir meine Dienste als neuer Quästor anzubieten und warte gern, bis ich an der Reihe bin.«
    »Dann warte in meinem Arbeitszimmer, bis du an der Reihe bist. Wenn du deine Aufgaben als mein Quästor ordentlich erfüllen willst, dann solltest du als erstes lernen, wie ich meine Geschäfte erledige«, sagte Marius, legte Sulla die Hand auf die Schulter und schob ihn zum tablinum .
    Es dauerte drei Stunden, bis die Anliegen des Klientenschwarms geduldig, aber zügig durchgesprochen waren. Die Bitten reichten vom Wunsch nach Beistand bis zu dem Gesuch, unter den ersten berücksichtigt zu werden, sobald Numidien wieder für römische und italische Geschäftsleute zugänglich sein würde. Von einem Klienten verlangte man keine Gegenleistung, aber es galt die unausgesprochene Regel: Halte dich bereit für alles, was dein Patron von dir verlangt, und zwar zu jeder Zeit, sei es morgen oder erst in zwanzig Jahren.
    »Gaius Marius«, sagte Sulla, als der letzte Klient gegangen war, »das Kommando von Quintus Caecilius

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