MoR 01 - Die Macht und die Liebe
ihrer biegsamen anmutigen Schlankheit erschien vieles weich, was bei einer anderen Frau eckig und häßlich gewirkt hätte. Und während er noch dastand und sie betrachtete, kam sie auf ihn zu, legte ihm die Hände auf die Schultern und schmiegte mit vollkommenen natürlicher und spontaner Sinnlichkeit ihren Körper an seinen Körper. Sie seufzte vor Wonne, als er die Arme um sie legte und mit beiden Händen ihren Rücken zu streicheln begann.
Er war bezaubert von ihrer Leichtigkeit, von der akrobatischen Geschmeidigkeit, mit der sie reagierte, als er sie hoch über seinen Kopf hob, mit der sie sich um ihn schlang. Nichts, was er tat, erschreckte oder beleidigte sie, und sie erwiderte jede Zärtlichkeit, die man nur erwidern kann. Es dauerte lediglich Sekunden, bis sie küssen gelernt hatte, und in all den Jahren ihrer Ehe lernte sie beständig weiter. Eine wunderbare, schöne, glutvolle Frau, die ihm gerne Wonne schenken wollte, und die hungrig danach verlangte, daß er ihr ebenfalls Wonne schenkte. Und sie war sein. Ganz und gar. Wer von beiden hätte in dieser Nacht ahnen sollen, daß sich die Dinge ändern könnten, weniger vollkommen, weniger beglückend, weniger willkommen sein könnten?
»Wenn du einen andern auch nur anschaust, bringe ich dich um«, sagte er, als sie erschöpft auf dem Bett lagen und sich zwischen ihren Liebesspielen ausruhten.
»Ich glaube dir«, sagte sie und erinnerte sich an die Lektionen ihres Vaters über die Rechte eines pater familias . Denn von jetzt an stand sie nicht mehr unter der Autorität des Vaters, sondern hatte sich der Gewalt Sullas zu unterwerfen. Als Patrizierin war sie nicht Herrin ihrer selbst und konnte es auch niemals werden. Frauen wie Nikopolis und Clitumna hatten es da erheblich einfacher.
Sulla und Julilla waren ungefähr von gleicher Größe: Sie war recht groß für eine Frau und er eher durchschnittlich für einen Mann. Ihre Beine waren ein wenig länger als seine, und so konnte sie ihre - zu seiner Verwunderung - zwischen seinen Knien hindurchschlingen, während sie darüber staunte, wie weiß seine Haut im Vergleich zu ihrer tiefgoldenen war.
»Neben dir sehe ich aus wie eine Syrerin«, sagte sie und hielt ihren Arm an seinen. Sie reckte beide Arme nach oben, damit im Lampenlicht der Unterschied noch deutlicher hervortreten konnte.
»Ich bin nicht normal«, sagte er plötzlich.
»Das ist gut«, lachte sie, beugte sich zu ihm hinüber und küßte ihn.
Dann betrachtete er sie, und er staunte, weil sie so anders war als andere Frauen, so viel schlanker und von fast knabenhaftem Körperbau. Mit einer Hand fuhr er rasch über ihren Körper, drückte ihr Gesicht in das Kopfkissen und studierte die Linien ihres Rückens, ihres Gesäßes und ihrer Schenkel. Hinreißend.
»Du bist so hübsch wie ein Knabe«, sagte er.
Sie wollte empört in die Höhe fahren, aber er hielt sie fest wie in einem Schraubstock. »Das ist mir ein schönes Kompliment!« fauchte sie mit halb erstickter Stimme aus dem Kissen heraus. »Man könnte beinahe glauben, dir wären Knaben lieber als Mädchen, Lucius Cornelius!« Sie sagte es in aller Unschuld und kicherte in das weiche Kissen.
»Nun, bis ich dich getroffen habe, war das wohl auch so«, sagte er.
»Dummkopf!« lachte sie und hielt seine Bemerkung für einen gelungenen Scherz. Dann machte sie sich los, kletterte auf ihn, setzte sich rittlings auf seine Brust und drückte seine Arme mit den Knien nieder. »Dafür darfst du jetzt meine süße Muschel ganz aus der Nähe anschauen. Und dann sag mir, ob sie irgendeine Ähnlichkeit mit einem harten, spitzen Speer hat.«
»Nur anschauen?« fragte er und zog sie hoch an seinen Hals.
»Ein Knabe!« Die Idee erheiterte sie noch immer. »Du bist ein Dummkopf, Lucius Cornelius!« Und dann vergaß sie es wieder über der entzückenden Entdeckung neuer Wonnen.
Die Versammlung der Plebs wählte Sulla dann auch wirklich zum Quästor, und obwohl sein Amtsjahr erst am fünften Tag des Dezembers begann - und er zudem, wie alle persönlichen Quästoren, erst im neuen Jahr anfangen konnte, wenn sein Vorgesetzter das Amt antrat -, fand sich Sulla am Tag nach der Wahl in Marius’ Haus ein.
Es war schon November, und zum Glück wurde es erst spät hell. Sulla war dafür sehr dankbar, denn die ausschweifenden Liebesnächte mit Julilla machten ihm das Aufstehen schwerer als früher. Aber er wußte, daß er vor Sonnenaufgang bei Marius erscheinen mußte. Als Marius’ persönlicher Quästor
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