MoR 01 - Die Macht und die Liebe
antreten.
»Also gut, Gaius Julius«, sagte Marius ohne das geringste Zögern in der Stimme, »morgen werde ich den Senat bitten, mir Lucius Cornelius Sulla als persönlichen Quästor zu geben.«
Caesar strahlte. »Danke, Gaius Marius! Vielen Dank!«
»Kannst du sie verheiraten, ehe die Versammlung der Plebs zur Wahl der Quästoren zusammentritt?« fragte er.
»Das kann ich«, antwortete Caesar.
Und so vermählten sich kaum acht Tage später Lucius Cornelius Sulla und Julia Minor, die jüngere Tochter des Gaius Julius Caesar, durch die traditionelle Zeremonie der confarreatio , die zwei Patrizier auf Lebenszeit aneinanderband. Sullas Karriere nahm einen glänzenden Beginn: Der neugewählte Konsul Gaius Marius forderte ihn persönlich als Quästor an, und durch seine Heirat mit Julilla wurde er Mitglied einer Familie, deren dignitas und Integrität über jeden Zweifel erhaben waren. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
In dieser Hochstimmung sah Sulla der Hochzeitsnacht gelassen entgegen und vergaß beinahe seine Abneigung gegen die Pflichten des Familienlebens. Von Metrobius hatte er sich getrennt, ehe er sich bei den Zensoren zur Aufnahme in den Senat beworben hatte. Obwohl bei dem Abschied so viele Tränen geflossen waren, daß er es kaum hatte ertragen können - denn der Junge liebte ihn abgöttisch und wollte nicht von ihm lassen -, war Sulla doch fest bei seinem Entschluß geblieben, solche Ausschweifungen für immer hinter sich zu lassen. Nichts und niemand sollte seinen Aufstieg zum Ruhm gefährden.
Außerdem konnten ihn seine Empfindungen für Julilla nicht täuschen. Er hatte erkannt, wieviel sie ihm bedeutete, und sie war ihm teuer - nicht nur, weil sie sein Glück verkörperte. In Gedanken jedoch waren seine Gefühle für Julilla diesem Glück untergeordnet. Sulla war ganz einfach unfähig, sich einzugestehen, daß er einen Menschen liebte. Liebe war in seinen Augen etwas, das andere Menschen, geringere Menschen empfanden. So, wie diese anderen, geringeren Menschen die Liebe verstanden, erschien sie ihm als eine recht befremdliche Sache: voller Illusion und Verblendung, manchmal edel bis zur Dummheit und manchmal niedrig bis zur Schamlosigkeit. Sulla konnte in sich selbst keine Liebe erkennen, weil er felsenfest davon überzeugt war, daß sie den gesunden Verstand, die Selbsterhaltung und die geistige Klarheit untergrub. In späteren Jahren kam er nicht ein einziges Mal auf den Gedanken, daß seine Geduld und seine Nachsicht mit seiner flatterhaften und labilen Frau der beste Beweis dafür waren, daß es auch in ihm ein Gefühl namens Liebe gab. Statt dessen glaubte er, Geduld und Nachsicht gehörten als gute Seiten zu seinem Charakter, und so verstand er nicht, was die Liebe in ihm bewirkte, und wuchs nicht innerlich an dieser Erfahrung.
Die Hochzeit war eine typische Feier der Familie Julius Caesar: würdevoll und festlich, ohne jeden Anflug von Derbheit, während die Hochzeiten, an denen Sulla bisher teilgenommen hatte, eher derb als würdevoll gewesen waren. Sulla ließ die ganze Prozedur mehr über sich ergehen, als daß er sich daran freute. Zur entscheidenden Stunde torkelten keine betrunkenen Gäste vor seiner Schlafzimmertür herum, und er mußte keine Zeit darauf verschwenden, sie gewaltsam hinauszuwerfen. Die Gäste geleiteten Sulla und Julilla den kurzen Weg von der einen Tür zur anderen, und als Sulla Julilla hochhob - wie federleicht sie war, wie zerbrechlich -, um sie über die Schwelle zu tragen, zogen sich die Gäste diskret zurück.
Unerfahrene Jungfrauen hatten in Sullas Leben bisher noch nie eine Rolle gespielt. So hatte er sich über sein Verhalten in der Hochzeitsnacht noch keinerlei Gedanken gemacht - und sich damit eine Menge unnötiger Ängste erspart. Denn wie auch immer es aus medizinischer Sicht um Julillas Jungfräulichkeit bestellt sein mochte, sie war so reif zur Hingabe wie ein Pfirsich, der von selbst vom Baum fällt. Sie sah Sulla zu, wie er seine Hochzeitstunika ablegte und den Blütenkranz vom Kopf nahm. Sie beobachtete jede Handbewegung fasziniert und gespannt. Und sie schälte sich bereitwillig Schicht um Schicht aus ihren zahlreichen Hüllen, den cremefarbenen und roten und safrangelben Brautgewändern. Sie nahm die siebenreihige wollene Tiara vom Kopf und löste all die speziellen Knoten und Gürtel.
Dann betrachteten sie einander und freuten sich an der Schönheit ihrer Leiber. Sullas Gestalt war makellos, Julilla war noch zu dünn, aber bei
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