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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ging, war er in seinem Element. »Das Problem ist, daß ihn niemand kennt. Zwar kennt jeder seinen Namen, alle wissen, daß er ein echter patrizischer Cornelius ist. Aber der cognomen Sulla ist heute nicht gerade in aller Munde, und er hatte nie die Gelegenheit, sich als junger Mann auf dem Forum und bei Gericht bekannt zu machen, er hat auch keinen Militärdienst geleistet. Übrigens könnte schon allein die Tatsache, daß er nie Soldat war, ausreichen, seine Wahl zu vereiteln, falls irgendein böswilliger Adliger deswegen Theater macht - und das könnte ihm auch den Weg in den Senat versperren. Wir hoffen, daß niemand allzu genaue Fragen stellt, in dieser Hinsicht sind die beiden gegenwärtigen Zensoren ideal. Es ist keinem von beiden in den Sinn gekommen, daß Lucius Cornelius nicht fähig sein könnte, auf dem Marsfeld auszubilden oder als unterer Militärtribun in einer Legion zu dienen. Und glücklicherweise hat Scaurus höchstpersönlich Lucius Cornelius in den Ritterstand aufgenommen, deshalb glauben unsere neuen Zensoren einfach, daß die alten Zensoren alles sehr viel genauer überprüft haben, als es tatsächlich der Fall war. Scaurus und Drusus waren verständige Männer, sie wollten Lucius Cornelius eine Chance geben. Und außerdem stand damals seine Aufnahme in den Senat nicht zur Debatte.«
    »Möchtest du, daß ich Lucius Cornelius durch Bestechung ins Amt bringe?« fragte Marius ganz direkt.
    Caesar war so altmodisch, daß ihn diese Frage schockierte. »Aber nein, selbstverständlich nicht! Ich sehe ein, daß Bestechung entschuldbar ist, wenn es um das Konsulat geht, aber für das Amt des Quästors? Nie im Leben! Außerdem wäre es zu riskant. Eburnus hat Lucius Cornelius im Auge. Er lauert nur auf eine Gelegenheit, ihn von der Wahl auszuschließen - und ihn zu verfolgen. Nein, der Gefallen, um den ich dich bitten möchte, ist ein ganz anderer, viel unerfreulicher für dich, falls die Sache fehlschlägt. Ich möchte, daß du Lucius Cornelius als deinen persönlichen Quästor anforderst - ihm die Auszeichnung einer persönlichen Ernennung zuteil werden läßt. Wie du ja weißt, kann ein Kandidat für die Quästur sicher sein, tatsächlich gewählt zu werden, wenn die Wahlberechtigten erfahren, daß er bereits von einem neugewählten Konsul angefordert wurde.«
    Marius antwortete nicht gleich. Er war damit beschäftigt, die ganze Tragweite dieses Wunsches zu verdauen. Letzten Endes war es ihm vollkommen gleichgültig, ob Sulla irgendeine Mitschuld am Tod seiner Geliebten oder seiner Stiefmutter trug, die ihn durch ihre Testamente zu einem reichen Mann gemacht hatten. Es würde später auf alle Fälle heißen, er habe sie umgebracht - spätestens, wenn er die Neigung bekunden sollte, Konsul zu werden. Irgend jemand würde die Geschichte ausgraben. Durch Flüsterpropaganda würde man das Gerücht verbreiten, Sulla habe gemordet, um genügend Geld für die politische Karriere in die Hand zu bekommen, die ihm durch die Armut seines Vaters verwehrt war. Für seine politischen Rivalen käme das einem Geschenk der Götter gleich. Die Ehe mit einer Tochter von Gaius Julius Caesar wäre ihm zwar eine Hilfe, aber nichts könnte ihn von dem Verdacht völlig reinwaschen. Und am Schluß würde etwas an ihm hängenbleiben, genauso wie an ihm, Marius, etwas hängengeblieben war. Das war der erste Einwand. Der zweite war Caesars Unbehagen. Caesar mochte Sulla nicht recht, obwohl er keine greifbaren Gründe für seine Abneigung nennen konnte. Hatte es eher mit dem Gefühl zu tun als mit dem Verstand? War es Instinkt? Und der dritte Einwand war Julilla. Seine Julia, das wußte Marius genau, hätte niemals einen Mann geheiratet, der ihr unwürdig erschienen wäre, wie bedrückend die finanziellen Verhältnisse der Familie auch sein mochten. Julilla hingegen hatte gezeigt, daß sie flatterhaft, gedankenlos und selbstsüchtig war - ein Mädchen, das nicht einmal dann einen würdigen Partner aussuchen würde, wenn ihr Leben davon abhinge. Und sie hatte Lucius Cornelius Sulla ausgesucht.
    Dann ließ Marius seine Gedanken weit in die Vergangenheit abschweifen, erinnerte sich an die regnerischen Morgenstunden auf dem Kapitol, als er unbemerkt beobachtet hatte, wie Sulla die Opferstiere verbluten sah. Und da wußte er, was das Richtige war, was er antworten mußte. Lucius Cornelius Sulla war fraglos wichtig. Unter keinen Umständen durfte man zulassen, daß er wieder in den Sumpf zurücksank. Er mußte das Erbe seines Namens

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