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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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starrte ihn an. Sie war außer sich. »Ich? Wie sollte ich jemanden treffen? Jeden Tag meines Lebens war ich eingesperrt in diesem Haus. Die einzigen Männer, die ich sehe, sind deine Gäste. Ich habe nicht einmal Gelegenheit, mich mit ihnen zu unterhalten! Wenn du sie zum Essen einlädst, bittest du mich nie dazu. Nur wenn dieser widerwärtige Tölpel Quintus Servilius da ist, darf ich mit euch essen!«
    »Wie kannst du es wagen!« Er wurde zornig. Niemals war ihm in den Sinn gekommen, daß sie seinen besten Freund nicht ausstehen könnte.
    »Ich werde ihn nicht heiraten!« schrie sie. »Eher sterbe ich!«
    »Geh sofort in dein Zimmer«, sagte er eisig.
    Sie sprang auf und ging auf die Tür zu, die zum Säulengang führte.
    »Nicht in dein Wohnzimmer, Livia Drusa. In dein Schlafzimmer. Dort wirst du bleiben, bis du Vernunft angenommen hast.«
    Ein flammender Blick war die Antwort. Sie wandte sich um und verließ den Raum durch die Tür, die zum Atrium führte.
    Drusus blieb neben dem Stuhl stehen, auf dem sie gesessen hatte, und versuchte, seinen Zorn zu zügeln. Unvorstellbar! Wie konnte sie es wagen, sich ihm zu widersetzen!
    Nach einiger Zeit fand er seine Ruhe wieder. Er wollte das Problem mit Überlegung angehen, obwohl er keine Ahnung hatte, wie er es lösen sollte. In seinem ganzen Leben hatte noch niemand gewagt, sich ihm zu widersetzen, niemand hatte ihn je in eine Lage gebracht, aus der er keinen Ausweg sah. Er war Gehorsam gewohnt, Respekt und Ehrerbietung in einem Maß, das ungewöhnlich war für sein Alter. Jetzt wußte er nicht, was er tun sollte. Wenn er mehr von seiner Schwester wüßte - er mußte sich gestehen, daß er gar nichts von ihr wußte. Wenn sein Vater noch lebte - wenn seine Mutter - oh, was für ein Wirrwarr! Was sollte er tun?
    So etwas durfte er sich nicht bieten lassen, das war die Antwort. Er rief den Verwalter.
    »Die Herrin, Livia Drusa, hat mich beleidigt«, sagte er mit bewundernswerter Ruhe und ohne den geringsten Ausdruck von Zorn. »Ich habe ihr befohlen, in ihrem Schlafzimmer zu bleiben. Sorge dafür, daß ein Schloß an der Tür angebracht wird, und bis dahin stellst du eine ständige Wache vor ihrem Zimmer auf. Sie wird von einer Frau bedient werden, die sie nicht kennt. Auf keinen Fall darf sie das Zimmer verlassen, ist das klar?«
    »Jawohl, Marcus Livius«, erwiderte der Verwalter ausdruckslos.

    Und dann nahm der Zweikampf seinen Lauf. Livia Drusa war in ein Gefängnis verbannt, das sehr viel kleiner war als ihr bisheriges, das Haus. Ihre Schlafkammer war wenigstens nicht ganz so dunkel und stickig wie andere, sie grenzte an die Loggia und hatte an der oberen Außenwand ein Gitter. Dennoch war es ein tristes Gefängnis. Wie trist, das erfuhr sie, als man ihr Bücher und Schreibpapier verweigerte. Vier Wände umschlossen einen Raum, der ungefähr acht auf acht Fuß groß und bis auf ein Bett und einen Nachttopf vollkommen leer war. Die Mahlzeiten brachte ihr eine Frau, die sie noch nie gesehen hatte, und es schmeckte nicht sehr gut. Das war nun Livia Drusas Leben.
    In der Zwischenzeit mußte Drusus seinem Freund vorspiegeln, alles entwickle sich wunschgemäß. Er verlor keine Zeit. Unmittelbar nachdem er seine Anweisungen erteilt hatte, warf er die Toga um und ging zu Caepio.
    »Oh, wie schön, daß du vorbeikommst!« strahlte Caepio.
    »Ich dachte, wir müßten noch einiges besprechen«, sagte Drusus. Er machte jedoch keine Anstalten, sich zu setzen, und sprach auch nicht weiter.
    »Nun, Marcus Livius, willst du vorher nicht ein paar Worte mit meiner Schwester wechseln? Sie ist sehr aufgeregt.«
    Wenigstens etwas, dachte Drusus. Sie war nicht so störrisch wie seine eigene Schwester.
    Er fand Servilia Caepionis in ihrem Wohnzimmer. Als er eintrat, sprang sie auf und warf sich ihm an die Brust, sehr zu seinem Unbehagen. Nun, anscheinend war sein Werben willkommen.
    »Oh, Marcus Livius!« seufzte sie und sah ihn schmachtend an.
    Warum hatte Aurelia ihn nie so angesehen? Er schob den Gedanken entschlossen beiseite und betrachtete Servilia Caepionis. Eine Schönheit war sie beileibe nicht. Sie hatte kurze Beine, wie alle in ihrer Familie, aber von den Pickeln, die ebenfalls in der Familie lagen, war sie verschont geblieben. Und sie hatte außerordentlich schöne Augen, sanft und zärtlich im Ausdruck, groß und dunkel schimmernd. Gern gehabt hatte er sie schon immer, und vielleicht würde er sie mit der Zeit sogar lieben.
    Er küßte sie auf den Mund und war angenehm

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