MoR 01 - Die Macht und die Liebe
aufgestellt, weil sie die disziplinierteste und am besten ausgebildete Legion war, vielleicht aber auch, weil ihm die fremden Soldaten weniger nahestanden als die römischen, selbst wenn sie aus den niedersten Schichten kamen. Neben den Marsern stand eine Legion, die erst zu Beginn des Jahres rekrutiert worden war. Sie wurde von Marcus Livius Drusus befehligt, der Quintus Sertorius als seinen Stellvertreter benannt hatte. Dann kamen die samnitischen Hilfstruppen und daneben eine weitere Legion römischer Soldaten, die erst kürzlich rekrutiert worden waren. Je näher die Linie der Legionen an den Fluß heranreichte, desto unerfahrener und ungeübter waren die Soldaten und desto mehr Militärtribunen, die ihnen Rückhalt geben sollten, hatten sie zur Seite. Die Legion des jungen Caepio bestand gar ausschließlich aus völlig unerfahrenen Soldaten und war direkt am Flußufer aufgestellt, daneben die ebenso unerfahrenen Soldaten unter dem Kommando von Sextus Caesar.
Die Germanen griffen am sechsten Tag des Oktobers zwei Stunden nach Sonnenaufgang an. Der Angriff begann fast gleichzeitig auf der Höhe von Caepios Lager und auf Mallius Maximus’ Kampflinie und schien deutlich besser geplant als alle bisherigen Schlachten.
Keiner von Caepios fünfundfünfzigtausend Männern kam mit dein Leben davon, als die Germanen von allen drei Landseiten her in das Lager eindrangen. Sie ergossen sich förmlich über das Lager, und das Gedränge der Kämpfenden war so dicht, daß sie auf den Verwundeten und Toten herumtrampelten. Caepio wartete das Ende nicht ab. Sobald er erkannte, daß seine Soldaten keine Aussichten hatten, die Germanen zurückzudrängen, hastete er zum Fluß, bestieg sein Boot und befahl den Ruderern, so schnell wie möglich ans Westufer der Rhône zu setzen. Eine Handvoll der Männer, die er im Stich gelassen hatte, versuchte, sich schwimmend in Sicherheit zu bringen, doch die Überzahl der schlagenden und schwertschwingenden Germanen war so groß, daß keinem Römer Gelegenheit blieb, sein zwanzig Pfund schweres Panzerhemd abzuwerfen oder auch nur den Helm abzuziehen. Sie stürzten sich in voller Rüstung in den Fluß und ertranken, ausnahmslos. Caepio und seine Ruderer waren die einzigen Überlebenden.
Mallius Maximus erging es ein wenig besser. Die Marser hielten sich tapfer gegen die riesige Übermacht, wurden aber bis zum letzten Mann aufgerieben, ebenso die neben ihnen kämpfende Legion von Drusus. Silo fiel mit einer Wunde in der Seite, und Drusus wurde nach Beginn des Kampfes von einem Germanen mit dem Knauf des Schwertes bewußtlos geschlagen. Quintus Sertorius ritt hin und her und versuchte verzweifelt, seine Männer zu sammeln, aber auch sie konnten den Angriff der Germanen nicht aufhalten. Für jeden germanischen Krieger, der niedergemacht wurde, stand sofort ein anderer da - sie schienen förmlich aus dem Boden zu wachsen. Sertorius stürzte mit einer Speerwunde am Unterschenkel, gerade an der Stelle, wo die wichtigen Nerven besonders dicht unter der Hautoberfläche liegen. Der Speer durchtrennte die Nerven und blieb unmittelbar vor der Hauptschlagader stecken - sein persönliches Kriegsglück.
Die Legionen, die direkt am Fluß standen, wandten sich um und suchten ihr Heil in der Flucht. Den meisten gelang es, die schwere Rüstung abzulegen, bevor sie ins Wasser wateten, und so erreichten viele von ihnen lebend das weit entfernte Westufer der Rhône. Der junge Caepio war einer der ersten, die sich ins Wasser stürzten, und Sextus Caesar wurde von einem seiner eigenen Männer niedergeschlagen, als er verzweifelt versuchte, die Soldaten aufzuhalten. Er sank mit einer übel zugerichteten Hüfte im Gedränge zu Boden.
Trotz Cottas Widerspruch waren die sechs Senatoren vor Beginn der Schlacht an das Westufer gebracht worden, denn Mallius Maximus hatte darauf bestanden, daß sie als zivile Beobachter das Schlachtfeld verlassen und den Kampf von einem sicheren Platz aus verfolgen sollten.
»Falls wir aufgerieben werden, müßt ihr als Überlebende dem Senat und dem Volk von Rom Bericht erstatten«, sagte er.
Es war in Rom üblich, das Leben der Gefangenen zu schonen, denn gesunde Krieger, die noch alle ihre Gliedmaßen besaßen, brachten auf dem Sklavenmarkt die höchsten Preise. Sie konnten in Minen hart arbeiten, auf Werften, auf dem Bau oder in Steinbrüchen. Doch weder die Kelten noch die Germanen ließen ihre Gefangenen am Leben, ausgenommen diejenigen, die ihre Sprache sprachen, und immer nur so
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