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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Befehlshaber nicht einmal ein gemeinsames Lager aufschlugen? Solange sie sich gegenseitig beschimpften und auf den Soldaten des jeweils anderen herumhackten? Würden die beiden Feldherren zusammenarbeiten, hätte Rom eine Armee von knapp hunderttausend Mann, und bei guter Moral im Heer, bei umfassender Ausbildung der Soldaten und fähiger Führung könnte das für den Kampf gegen die Germanen gerade ausreichen.
    Ja, dachte Cotta, und dabei krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen, heute habe ich die Verkörperung von Roms Schicksal vor mir gesehen! Wir werden mit dem Ansturm dieser blonden Horde nicht fertig werden. Jedenfalls nicht, solange wir nicht einmal mit uns selbst fertig werden.
    Aurelius brach die einleitenden Gespräche ab, um beiden Seiten Gelegenheit zu Beratungen mit ihren eigenen Leuten zu geben.
    »Nun«, sagte Aurelius zu Cotta und den anderen fünf Senatoren, »wir haben einiges in Erfahrung bringen können. Sie selbst nennen sich nicht Germanen, sondern betrachten sich als Bund dreier verschiedener Stämme - hauptsächlich Kimbern und Teutonen und eine dritte Gruppe kleinerer Stämme. Diese dritte Gruppe besteht aus Markomannen, Cheruskern und Tigurinern, die sich den Kimbern und Teutonen auf ihren Wanderungen angeschlossen haben. Nach Auskunft meiner Dolmetscher sind sie eher keltischen als germanischen Ursprungs.«
    »Wanderungen?« fragte Cotta. »Wie lange sind sie denn schon unterwegs?«
    »Das scheinen sie selbst nicht zu wissen, aber auf jeden Fall viele Jahre. Vielleicht seit einer Generation. Der junge Mann, der aussieht wie ein germanischer Achilles, war noch ein Kind, als sein Stamm, die Kimbern, seine Heimat verließ.«
    »Haben sie einen König?«
    »Nein. Sie werden von einem Rat der Stammeshäuptlinge geführt, den größten Teil davon siehst du vor dir. Dieser barbarische Achilles scheint jedoch sehr schnell aufzusteigen in diesem Rat, und immer mehr bezeichnen ihn als König. Er heißt Boiorix und ist entschieden der Selbstbewußteste von ihnen. Er will nicht mit uns verhandeln, denn seiner Meinung nach ist Macht auch Recht, und er will uns nicht um freien Durchgang nach Spanien bitten. Er will einfach weiterziehen, egal, was wir davon halten.«
    »Gefährlich jung, um sich selbst König zu nennen. Ich stimme dir zu, er wird uns Ärger machen«, sagte Cotta.
    »Und wer ist der Mann dort drüben?« Er deutete unauffällig auf einen Mann um die Vierzig, der einen goldenen Brustschmuck und andere goldene Verzierungen trug.
    »Das ist Teutobod, der oberste Häuptling der Teutonen. Er läßt sich ebenfalls gern König nennen. Wie Boiorix denkt er, daß Macht Recht ist und daß sie einfach nach Süden ziehen sollten, ohne sich um Rom zu kümmern. Das alles gefällt mir überhaupt nicht, Vetter. Meine beiden germanischen Dolmetscher sind der Meinung, die Stimmung sei ganz anders als zu Carbos Zeiten. Die Germanen sind selbstbewußter geworden, und sie haben keinen Respekt mehr vor uns. Sie fangen an, uns zu verachten.« Aurelius biß sich auf die Lippen. »In der Zeit, die sie bei den Häduern und den Ambarrern verbrachten, haben sie einiges über Rom gelernt. Jetzt haben sie keine Angst mehr vor Rom, und nicht nur das - bisher haben sie jede Auseinandersetzung mit uns gewonnen, ausgenommen vielleicht diesen ersten Kampf mit Lucius Cassius, aber nur, wenn man nicht an die tragischen Folgen denkt. Jetzt reden Boiorix und Teutobod ihnen ein, daß sie keinen Grund hätten, uns zu fürchten. Auch wenn wir besser ausgerüstet seien und besser trainiert. Wir seien nichts als Schreckgespenster für kleine Kinder, alles nur Einbildung, Popanz. Boiorix und Teutobod wollen den Kampf. Wenn Rom erst einmal geschlagen ist, können sie herumziehen - und sich niederlassen -, wo sie wollen.«
    Die Verhandlungen wurden weitergeführt, und diesmal bezog Aurelius seine sechs Gäste mit ein. Sie alle trugen ihre Togen und wurden von zwölf Liktoren in purpurroten Tuniken und mit breiten, goldbeschlagenen Gürteln eskortiert. Die Liktoren trugen Rutenbündel und Äxte. Natürlich hatten die Germanen die Senatoren bereits bemerkt, doch nach der gegenseitigen Vorstellung starrten sie mit offener Verwunderung auf die bauschigen, weißen, so ganz und gar nicht kriegerisch aussehenden Gewänder der Römer. So sahen die Römer aus? Nur Cotta trug die purpurgeränderte toga praetexta als Zeichen, daß er ein kurulisches Amt innehatte, und deshalb sprachen die Germanen zu ihm in ihren fremdartig klingenden,

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