MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Wasser. Der Fluß war drei Meilen entfernt und das Lager kaum näher, so kroch er nach Osten, in der Hoffnung, an der Stelle auf einen Bach zu stoßen, wo die Bodenerhebung begann. Nachdem er einige Fuß weit gekommen war, stieß er auf Quintus Sertorius, der bei seinem Anblick schwach die Hand hob.
»Kann mich nicht bewegen«, stöhnte Sertorius und versuchte, mit seiner Zunge die geplatzten Lippen zu befeuchten.
»Bein taub. Warte auf jemand. Dachte, ein Germane.«
»Durstig«, krächzte Drusus »Wasser suchen, dann zurück.« Drusus hatte entsetzliche Schmerzen, die Kopfwunde pochte, und jede Bewegung wurde ihm zur Qual. Ihm wurde schwindlig, und er sackte zusammen.
Doch der Überlebenswille war stärker. Schluchzend richtete sich Drusus wieder ein Stück auf und schleppte sich weiter nach Osten. Ihm fiel ein, daß er kein Gefäß hatte, in dem er das Wasser tragen konnte, und bestimmt gab es noch mehr Verwundete als Sertorius, die dringend Wasser brauchten. Er beugte sich vor und zog zwei toten marsischen Soldaten die Helme ab, während er unter den unerträglichen Schmerzen, die ihn dies kostete, laut aufstöhnte. Er nahm die Helme an den Kinnriemen und wankte halb aufgerichtet weiter.
Da, mitten auf dem Schlachtfeld, zwischen den Leichen der marsischen Krieger, stand ein kleiner Esel mit Wasserbehältern. Das Tier blinzelte mit langen Wimpern über den sanften Augen auf all die Verwüstung ringsumher, aber es konnte nicht davonlaufen, da sein Halfter um den Arm eines toten Soldaten gewunden war, der tief unter anderen Leichen begraben lag. Es hatte versucht, sich loszureißen, doch dabei hatte sich das Seil nur noch fester um den Arm des Toten gewickelt. Drusus trug immer noch seinen Dolch bei sich. Er durchschnitt das Seil da, wo es um den leblosen Arm gewickelt war, und band das Ende an seinen Schwertgürtel. So konnte das Tier nicht davonlaufen, falls er erneut das Bewußtsein verlieren sollte. Im Moment jedoch schien der Esel ganz froh zu sein, ein anderes lebendes Wesen zu sehen, und hielt geduldig still, während Drusus seinen Durst löschte.
Am Rande des Gewirrs von Toten, in dem Drusus den Esel gefunden hatte, entdeckte er zwei Beine, die sich leicht bewegten. Unter erneutem schmerzvollen Stöhnen, das der Esel traurig mit seinem Geschrei begleitete, gelang es Drusus, so viele Leichen beiseite zu schieben, daß ein marsischer Offizier zum Vorschein kam. Sein bronzener Brustharnisch war an der Seite, unter dem rechten Arm, eingedrückt, und aus einem Loch in der Mitte der großen Einbeulung quoll rötliche Flüssigkeit, heller als Blut.
So vorsichtig er konnte, zog Drusus den Offizier unter den Leichen hervor und legte ihn auf einen freien Fleck zertrampelten Grases. Dort begann er, den Brustharnisch an der linken Seite zu lösen, wo der vordere Teil mit dem hinteren verbunden war. Die Augen des Offiziers waren geschlossen, doch seine Halsschlagader pulsierte heftig, und als Drusus die obere Hälfte des Harnischs von Brust und Bauch abnahm, schrie der Marser laut auf
Dann sagte eine gereizte Stimme in reinstem Latein: »Vorsichtig!«. Drusus hielt für einen Moment inne, dann fuhr er fort, die Schnüre der ledernen Unterbekleidung zu lösen. »Lieg still, du Narr!« schimpfte er. »Ich versuche nur, dir zu helfen. Willst du ein bißchen Wasser?«
»Wasser«, wiederholte der marsische Offizier.
Drusus ließ ihn aus einem Helm trinken und wurde mit einem Blick aus zwei gelbgrünen Augen belohnt, die ihn an Schlangenaugen erinnerten. Die Marser waren Schlangenanbeter, sie vollführten Schlangenbeschwörungen, tanzten mit den Schlangen und küßten die Zungen der Schlangen mit ihren eigenen. Kein Wunder, wenn man diese Augen sah.
»Quintus Poppaedius Silo«, sagte der marsische Offizier. »Ein irrumator , ungefähr acht Fuß groß, hat mich zu Boden geworfen.« Er schloß die Augen, über seine blutigen Wangen rannen zwei Tränen. »Meine Männer - alle tot, oder?«
»Ich fürchte ja«, antwortete Drusus sanft, »genauso wie meine Männer, Wie fast alle, scheint es. Mein Name ist Marcus Livius Drusus. Paß auf, ich werde dir jetzt dein Lederzeug abziehen.«
Die Wunde blutete nicht mehr, dank der wollenen Tunika, die das germanische Langschwert in die schmale Öffnung der Wunde gedrückt hatte. Drusus konnte die gebrochenen Rippen unter seinen Händen fühlen, doch der Harnisch, das Lederzeug und die Rippen hatten die Klinge aufgehalten.
»Du wirst am Leben bleiben«, sagte Drusus. »Kannst du
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