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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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in den Tod schickten.
    Der Zug traf auf dem Rindermarkt, dem Forum Boarium, ein. Die nackte Statue des Herkules Triumphalis war zur Feier des Tages mit den Insignien des triumphierenden Feldherrn geschmückt - der goldpurpurnen toga picta , der mit Palmen bestickten purpurnen tunica palmata , dem Lorbeerzweig in der einen und dem adlerbekrönten Elfenbeinzepter in der anderen Hand, das Gesicht leuchtend rot mit minium geschminkt. Der Markt war für diesen Tagoffensichtlich ausgesetzt worden, denn vor den prächtigen Tempeln, die den riesigen Platz säumten, waren keine Buden und Verkaufsstände zu sehen. Jugurthas Blick fiel auf den Tempel der Ceres, schönster Tempel der Stadt genannt - und er war tatsächlich von einer grellen Schönheit auf seinem hohen Sockel wie alle römischen Tempel, bemalt in Rot und Blau und Grün und Gelb. Jugurtha wußte, daß der Tempel das Heiligtum der Plebs war, daß er deren Archiv beherbergte und Sitz der plebejischen Ädilen war.
    Der Zug marschierte jetzt durch den Circus Maximus. Jugurtha hatte noch nie ein so großes Bauwerk gesehen: Es erstreckte sich über die gesamte Länge des Palatin und bot Platz für rund 150 000 Menschen. Auf den hölzernen Tribünen drängte sich aus Anlaß des Triumphzuges eine johlende Menge. Da Jugurtha nicht weit vor Marius ging, hörte er, wie die Jubelrufe hinter ihm zu hysterischer Begeisterung für den siegreichen Feldherrn anschwollen. Es schien die Menge nicht zu stören, daß die Soldaten so schnell marschierten, denn Marius hatte durch seine Klienten und Agenten das Gerücht ausstreuen lassen, er marschiere so schnell aus Sorge um Rom: Er wolle keine Zeit verlieren, um möglichst schnell nach Gallia Transalpina zu den Germanen aufbrechen zu können.
    Auch die mit Bäumen bestandenen Plätze und die prächtigen Häuser auf dem Palatin waren dicht mit Zuschauern besetzt, überwiegend Frauen, Kindermädchen und Jungen und Mädchen aus guten Familien, wie Jugurtha erfahren hatte, die hier, über der gemeinen Herde, vor Übergriffen und Diebstählen sicher waren. Der Zug verließ den Circus Maximus und bog in die Via Triumphalis ein, die am anderen Ende des Palatin vorbeiführte. Links stieg ein parkartiges, mit Felsen durchsetztes Gelände an, rechts erstreckte sich am Fuß des Caelius-Hügels ein weiteres Viertel mit hoher Mietshäusern. Sie kamen zum Palus Ceroliae, dem Sumpf unterhalb der Carinae und des Fagutal, und nach einer weiteren Biegung auf die Velia. Dann stiegen sie auf dem ausgetretenen Pflaster der alten heiligen Straße, der Via Sacra, zum Forum Romanum hinunter. Endlich würde er es sehen, das Zentrum der Welt, wie in den alten Tagen die Akropolis das Zentrum der Welt gewesen war.
    Und dann lag es vor ihm, das Forum Romanum, und er warenttäuscht. Die Bauten waren klein und alt, die Fassaden nicht auf das Forum ausgerichtet, sondern schräg nach Norden, während das Forum selbst von Nordwesten nach Südosten verlief. Der ganze Ort schien planlos angelegt und dem Verfall preisgegeben. Die neueren Gebäude standen zwar im rechten Winkel zum Platz, waren aber kaum besser gepflegt. Was sie bisher erblickt hatten, war weitaus eindrucksvoller gewesen, und die Tempel am Weg hatten größer, reicher und imposanter gewirkt. Zugegeben, die Häuser der Priester waren vor nicht allzu langer Zeit frisch angemalt worden, und der kleine Rundtempel der Vesta war hübsch, aber sonst fielen nur der hohe Tempel des Castor und Pollux auf und der mächtige Tempel des Saturn mit seinen strengen dorischen Säulen. Beide Gebäude waren in ihrer Art bewundernswert, doch insgesamt war es ein grauer, freudloser Platz in einer sumpfigen Niederung.
    Auf der Höhe des Saturntempels, von dessen Sockel die Hüter des Staatsschatzes den Zug verfolgten, wurden Jugurtha, seine Söhne und diejenigen seiner Edlen und Frauen, die man mit ihm gefangen hatte, aus dem Zug zur Seite geführt. Da standen sie nun und sahen die Liktoren des Feldherrn vorüberziehen, gefolgt von Tänzern und Musikanten und den Trägern der Räucherfässer, Trommlern und Trompetern, Legaten und schließlich dem Feldherrn selbst auf seinem Streitwagen, unnahbar und fremd im Schmuck seiner Insignien und mit seinem mit minium bemalten Gesicht. Der Zug wand sich den Hügel hinauf zum großen Tempel des Jupiter Optimus Maximus. Die säulengeschmückte Seite des Tempels zeigte zum Forum, da auch dieser Tempel in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet war. Die Fassade des Tempels ging nach Süden. Nach

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