MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Schnecken.«
»Dann bist du jetzt satt und zufrieden, König?«
Jugurtha grinste. »Allerdings! Die richtige Vorbereitung auf die Schlinge des Henkers, will ich meinen.«
»Aber über die Art deines Todes bestimme ich.« Sulla grinste jetzt ebenfalls, mit entblößtem Gebiß, und das Grinsen auf seinem hellen Gesicht war viel grimmiger als das des Africaners Jugurtha.
Jugurthas Lächeln erstarb. »Was willst du damit sagen?«
»Ich habe die organisatorische Leitung dieses Triumphzuges, König Jugurtha. Das heißt, ich bestimme, wie du stirbst. Normalerweise würdest du mit einer Schlinge erdrosselt, das ist richtig. Aber das ist nicht Vorschrift. Es gibt eine alternative Methode: Du wirst durch das Deckenloch des Tullianum in den Kerker geworfen und verrottest dort.« Sullas Grinsen wurde breiter. »Nach einem so königlichen Mahl, und besonders nachdem du versucht hast, Zwietracht zwischen mir und meinem Vorgesetzten zu säen, wäre es doch zu schade, wenn du keine Gelegenheit hättest, deine Schnecken in Ruhe zu verdauen. Also keine Schlinge für dich, König. Du stirbst Zoll für Zoll.«
Zum Glück standen seine Söhne zu weit weg, um Sullas Worte zu hören. Unbewegt sah der König zu, wie Sulla zum Abschied grüßend die Hand hob und zu Iampsas und Oxyntas ging, um ihre Ketten zu überprüfen. Dann betrachtete Jugurtha das hektische Treiben: die Scharen von Sklaven, die Kränze und Girlanden aus Lorbeer austeilten, die Musikanten, die ihre Hörner und die bizarren, wie Pferdeköpfe geformten Trompeten stimmten, die Ahenobarbus aus Gallia Cisalpina mitgebracht hatte, die Tänzer, die in letzter Minute noch ihre Drehungen probten, die schnaubenden und wiehernden Pferde, die ungeduldig mit den Hufen scharrten, die Ochsen mit vergoldeten Hörnern und Girlanden geschmückten Hälsen, jeweils ein Dutzend vor einen Wagen gespannt, einen kleinen, Wasser tragenden Esel, der einen lächerlichen, mit Lorbeer bekränzten Strohhut trug, aus dem rechts und links seine großen Ohren ragten, eine zahnlose, grell geschminkte alte Hexe mit baumelnden, leeren Brüsten, von Kopf bis Fuß in Gold und Purpur gekleidet, die soeben auf einen der Schauwagen gehievt wurde und sich dort auf einem purpurnen Diwan räkelte wie der Welt größte Kurtisane. Sie starrte Jugurtha unverwandt in die Augen, starrte ihn an wie der dreiköpfige Höllenhund Zerberus - auch sie hätte eigentlich drei Köpfe haben müssen.
Der Zug setzte sich in Marsch, und Schweigen kehrte ein. Gewöhnlich marschierten Senatoren und Beamte - außer den Konsuln - vorneweg, gefolgt von Musikanten, Tänzern und Possenreißern, die bekannte Persönlichkeiten aufs Korn nahmen. Dann kamen die Wagen mit der Beute und den szenischen Darstellungen, danach die Opfertiere, die von Priestern und weiteren Tänzern, Musikanten und Possenreißern geleitet wurden, danach die wichtigsten Gefangenen und der triumphierende Feldherr auf dem alten Kriegswagen. Als letzte marschierten die Legionen des Feldherrn. Gaius Marius hatte die Reihenfolge allerdings in einem Punkt geändert. Er fuhr vor den Wagen mit der Beute und den szenischen Darstellungen, damit er rechtzeitig auf dem Kapitol eintraf und nach dem Tieropfer, der Amtsübergabe und der ersten Senatssitzung noch genügend Zeit für das Fest im Tempel des Jupiter Optimus Maximus hatte.
Jugurtha hatte sich wieder gefaßt und genoß seinen ersten - und letzten - Gang zu Fuß durch die Straßen Roms. Was machte es schon, wie er starb? Sterben mußte jeder früher oder später; und er hatte ein erfülltes Leben gehabt, auch wenn es in der Niederlage geendet hatte. Er hatte ihnen für ihr Geld einiges geboten, diesen Römern. Sein toter Bruder Bomilkar... auch er war im Kerker gestorben, fiel ihm jetzt ein. Vielleicht erregte Brudermord das Mißfallen der Götter; auch wenn es einen guten Grund dafür gab. Wahrscheinlich hatten nur die Götter mitgezählt, wie viele aus seiner Verwandtschaft auf sein Geheiß hatten sterben müssen, wenn auch nicht durch seine Hände. Aber machte das seine Hände sauber?
Wie hoch die Wohnhäuser waren! Die Marschierenden bogen zügig in den Vicus Tuscus im Velabrum ein, einem dicht mit Mietshäusern bebauten Stadtteil. Die Ziegelmauern der Häuser lehnten so schief über die engen Gassen, als wollten sie einander umarmen. An jedem Fenster waren Gesichter zu sehen, die etwas riefen. Erstaunt vernahm Jugurtha, daß sie auch ihm zujubelten und ihn mit Worten der Ermutigung und allen guten Wünschen
Weitere Kostenlose Bücher