Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
höchster Seelenpein rang Lusius die Hände. »Das kostet mich den Verstand!«
    »Nein. Du wirst dich zusammenreißen, und du wirst bei deinen Annäherungsversuchen größte Zurückhaltung walten lassen. Du wirst so bald wie möglich die Zeichen lernen, an denen Männer deiner Neigung sich erkennen. Ich kann dir nicht sagen, welche Zeichen das sind, da ich dem Laster selbst nicht fröne. Wenn du Karriere im öffentlichen Leben machen willst, Gaius Lusius, dann rate ich dir dringend, dich gleichfalls davon fernzuhalten. Aber du bist jung - wenn du also deinen Appetit nicht zügeln kannst, sorge wenigstens dafür, daß es der richtige Mann ist.« Und Sulla lächelte, diesmal etwas freundlicher, drehte sich um und ließ Lusius stehen.
    Eine Weile schlenderte er ziellos umher, die Arme auf dem Rücken verschränkt, ohne dem geordneten Treiben um ihn herum Beachtung zu schenken. Die Legionäre hatten den Befehl erhalten, ein vorläufiges Lager zu errichten. Zwar hielten sich keine feindlichen Truppen in der Provinz auf, aber eine römische Armee schlief nicht ungeschützt. Auf der Hügelkuppe hatten sich bereits Landvermesser und Ingenieure an die Planung des endgültigen Lagers gemacht, und die Soldaten, die nicht mit der Errichtung des provisorischen Lagers beauftragt waren, hatten mit der Befestigung des Hügels begonnen. Zunächst mußte Holz für Balken, Pfosten und Gebäude herangeschafft werden, keine leichte Aufgabe, da es im unteren Rhônetal nur noch wenig Wald gab. Die Menschen siedelten hier seit Jahrhunderten, seit die Griechen Massilia gegründet hatten, seit die griechische, später die römische Kultur sich ins Landesinnere ausgebreitet hatte.
    Die Armee lagerte im Norden der weiten Salzmarschen, die das Rhônedelta bildeten und sich westlich und östlich davon erstreckten. Es war typisch für Marius, daß er sowohl das provisorische wie das endgültige Lager auf unbebautem Land errichten ließ.
    »Man darf es sich mit möglichen Verbündeten nicht verderben« sagte er. »Außerdem werden die Bewohner der Gegend jeden Quadratzoll urbaren Landes brauchen, wenn sie fünfzigtausend Mäuler zusätzlich stopfen müssen.«
    Die für die Beschaffung des Getreides und der übrigen Nahrung zuständigen Beamten waren bereits losgeritten, um mit den Bauern Verträge zu schließen, und ein Teil der Soldaten baute auf dem Hügel Kornspeicher, die so viel Getreide faßten, daß fünfzigtausend Mann zwölf Monate bis zur nächsten Ernte davon leben konnten. Der schwere Troß hatte alle Gegenstände mitgeführt, die Marius’ Informanten zufolge in Gallia Transalpina nicht erhältlich oder knapp waren - Pech, massive Holzbalken, Flaschenzüge, Werkzeuge, Kräne, Drehmühlen, Kalk und größere Mengen kostbarer eiserner Bolzen und Nägel. Der praefectus fabrum hatte in Populonia und Pisae, den beiden Häfen, in die das Roheisen der Insel Elba gebracht wurde, jeden verfügbaren Barren aufgekauft und das Metall in Karren über die Alpen schaffen lassen, für den Fall, daß die Ingenieure Stahl herstellen mußten. Der schwere Troß führte außerdem Ambosse, Schmelztiegel, Hämmer, feuerfeste Ziegel und weitere unentbehrliche Werkzeuge mit. Einige Soldaten schichteten bereits Holz auf, um einen großen Vorrat an Holzkohle herzustellen, denn ohne Holzkohle konnte man den Schmelzofen nicht genügend erhitzen, um Eisen zu schmelzen, geschweige denn zu Stahl zu härten.
    Sulla kehrte um und ging zum Holzhaus des Feldherrn zurück, jetzt war der Augenblick da! Denn er hatte einen bereits sorgfältig durchdachten Plan, wie er die Langeweile vertreiben konnte, einen Plan, der ihm all den Nervenkitzel verschaffen würde, den er sich nur wünschen konnte. Die Idee war noch in Rom gekeimt, während des Marsches entlang der Küste war sie gereift, und jetzt war es soweit, sie konnte in die Tat umgesetzt werden. Ja, es war Zeit, mit Gaius Marius zu sprechen.
    Der Feldherr saß allein an einem Tisch und schrieb eifrig.
    »Hast du vielleicht eine Stunde Zeit für mich, Gaius Marius?« fragte Sulla, während er die Plane hochhielt, die den inneren Bereich vom Vorzelt des Wachoffiziers trennte. »Ich würde gern einen Spaziergang mit dir machen.« Mit ihm drang ein vorwitziger Sonnenstrahl ins Innere. Er umgab Sulla mit einer Aura flüssigen Goldes und entfachte in den schulterlangen Locken seines barhäuptigen Kopfes ein funkensprühendes Feuer.
    Marius sah auf und musterte seinen Besucher mißbilligend. »Laß dir die Haare schneiden«,

Weitere Kostenlose Bücher