MoR 01 - Die Macht und die Liebe
ja jetzt auch egal. Ich habe jedenfalls meinen Germanen gekauft, um an Informationen zu kommen. Als er sich aber als so widerspenstig herausstellte - und es macht keinen Sinn, jemanden zu foltern, der dasteht wie der Ochs vorm Berg -, kam mir eine bessere Idee. Unsere Informationen, Gaius Marius, kommen gewöhnlich aus zweiter Hand. Für unsere Zwecke ist das nicht gut genug.«
»Wahr gesprochen«, sagte Marius. Er wußte jetzt, worauf Sulla hinauswollte, mochte ihn aber nicht drängen.
»Solange der Krieg mit den Germanen nicht unmittelbar bevorsteht, so überlegte ich, ist es unsere Pflicht, daß wir uns Informationen aus erster Hand beschaffen. Meine Sklaven stehen beide lange genug in römischen Diensten, daß sie Latein gelernt haben, der Germane freilich nur ein sehr rudimentäres Latein. Von meinem karnutischen Gallier habe ich interessanterweise erfahren, daß die zweite Sprache der Gallier Latein ist, nicht Griechisch, sobald man sich von der Mittelmeerküste entfernt und ins Landesinnere vordringt. Ich will damit nicht sagen, daß die Gallier sich dort lateinische Witze erzählen, sondern lediglich, daß man dank der Kontakte zwischen dort siedelnden Stämmen wie den Häduern und römischen Soldaten oder Händlern gelegentlich einen Gallier trifft, der ein paar Brocken Latein spricht und lesen und schreiben kann. Da die Gallier für ihre eigenen Sprachen keine Schrift haben, lesen und schreiben sie in Latein. Nicht Griechisch. Faszinierend, findest du nicht? Wir haben uns so an Griechisch als Verkehrssprache der ganzen Welt gewöhnt, daß es geradezu erfrischend ist zu erfahren, daß ein Teil der Welt Latein bevorzugt!«
»Da ich selbst weder Gelehrter noch Philosoph bin, Lucius Cornelius, muß ich gestehen, daß mich diese Erkenntnis nicht in ähnlichem Maße fasziniert. Aber«, Marius lächelte dünn, »an Informationen über die Germanen bin ich dafür um so mehr interessiert!«
Sulla hob in gespielter Ergebenheit die Hände. »Schon verstanden, Gaius Marius! Also gut. Seit fast fünf Monaten lerne ich die Sprache der Karnuten Zentralgalliens und die Sprache der germanischen Kimbern. Mein karnutischer Lehrer ist von diesem Projekt weit mehr begeistert als mein germanischer Lehrer - aber er ist auch der Hellere von beiden.« Sulla hielt inne, um über seine letzten Worte nachzudenken, und fand, daß er sich nicht richtig ausgedrückt hatte. »Mein Eindruck, daß der Germane der Beschränktere von beiden ist, muß nicht unbedingt stimmen. Da der Schock der Trennung von seinen Stammesgenossen für ihn viel größer war als für den Gallier, hat er sich vielleicht nur in sich zurückgezogen, um sein gegenwärtiges Unglück besser ertragen zu können. Aber wenn man bedenkt, daß er immerhin dumm genug war, sich in einem Krieg fangen zu lassen, den sein Volk gewonnen hat, und daß ich auch einfach Pech gehabt haben könnte, ist er vielleicht doch nur ein beschränkter Germane.«
»Lucius Cornelius, meine Geduld ist nicht unerschöpflich«, sagte Marius. Es klang mehr resigniert als barsch. »Du redest so umständlich wie der peripatetischste Peripatetiker!«
»Ich bitte um Entschuldigung.« Sulla grinste und sah dann Marius an. Das Leuchten in seinen Augen erlosch, und er schien wieder ein normaler Mensch zu sein.
Lebhaft fuhr er fort: »Mit meinen Haaren, meiner Haut und meinen Augen wird man mich ohne weiteres für einen Gallier halten. Ich beabsichtige, ein Gallier zu werden und in Gebiete zureisen, die noch kein Römer betreten hat. Vor allem will ich den Germanen folgen, die nach Spanien ziehen, das sind mit Sicherheit die Kimbern, vielleicht noch andere Stämme. Ich kann genug Kimbrisch, daß ich wenigstens verstehe, was sie sagen, deshalb will ich mich auf die Kimbern konzentrieren.« Er lachte. »Meine Haare müßten eigentlich noch viel länger sein als die einer Tänzerin, aber einstweilen muß es so reichen. Wenn ich gefragt werde, warum sie so kurz sind, sage ich, eine Krankheit der Kopfhaut hätte mich gezwungen, sie abzuschneiden. Zum Glück wachsen sie sehr schnell.«
Sulla schwieg. Auch Marius sagte eine Zeitlang nichts. Er stellte nur seinen Fuß auf einen Baumstamm und stützte den Ellbogen auf das Knie und das Kinn auf die Faust. In Wirklichkeit wußte er gar nicht, was er sagen sollte. Seit Monaten sorgte er sich, daß er Lucius Cornelius an die Fleischtöpfe Roms verlieren würde, weil ihm der Feldzug zu langweilig wurde, und die ganze Zeit über bastelte Lucius Cornelius an einem
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