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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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auszusehen. Die Senatoren verstanden, was er meinte, und setzten ihre aufmerksamsten Mienen auf.
    »Zur Erinnerung für jene da hinten, die dieses Haus fast nie mit ihrer Anwesenheit beehren: Gnaeus Pompeius Strabo ist Quästor des Statthalters von Sardinien, und der Statthalter ist dieses Jahr - ebenfalls zur Erinnerung - Titus Annius Albucius. Sind damit diese äußerst komplizierten Verhältnisse allen Senatoren hinreichend klar?« Seine Stimme troff von Sarkasmus.
    Die Antwort war ein allgemeines Gemurmel, das Memmius als Zustimmung interpretierte.
    »Gut!« sagte er. »Dann lese ich jetzt den Brief vor, den Gnaeus Pompeius mir geschrieben hat. Hören wir alle zu?«
    Wieder Gemurmel.
    »Gut!« Memmius entfaltete den Brief und hielt ihn vor sich hin. Dann begann er laut und deutlich zu lesen, damit hinterher keiner sagen konnte, er habe ihn nicht verstanden.
    Ich schreibe Dir, Gaius Memmius, weil ich eine Bitte an Dich habe: Ich möchte gegen Titus Annius Albucius, den Statthalter unserer Provinz Sardinien, gleich nach unserer Rückkehr nach Rom Ende des Jahres Anklage erheben. Wie der Senat weiß, hat Titus Annius vor einem Monat berichtet, er habe das Banditentum in seiner Provinz erfolgreich ausgerottet, und dafür hat er einen kleinen Triumph beantragt. Der Antrag wurde abgelehnt, völlig zu Recht. Denn einige Nester der Banditen wurden zwar ausgehoben, doch die Provinz ist keineswegs von ihnen gesäubert. Aber der eigentliche Grund, warum ich den Statthalter anklagen möchte, liegt in seinem unrömischen Verhalten, als er erfuhr, daß sein Antrag abgelehnt worden war. Er hat nicht nur die Mitglieder des Senats als einen ignoranten Haufen von irrumatores bezeichnet, sondern mit großem Kostenaufwand einen kleinen Triumph durch die Straßen von Carales organisiert! Ich betrachte dieses Verhalten als Bedrohung des Senats und des Volkes von Rom und den Triumph als Verrat. Ich bin darüber äußerst empört und bestehe darauf daß ich selbst Anklage erheben darf Ich bitte um rechtzeitige Antwort.
     
    Memmius ließ die Schriftrolle sinken. Im Senat war es totenstillgeworden. »Ich bitte um die Meinung unseres weisen Senatsvorsitzenden Marcus Aemilius Scaurus«, sagte Memmius. Dann setzte er sich.
    Scaurus stand auf und trat mit grimmigem Gesicht in die Mitte des Saals. »Es ist seltsam«, begann er, »aber kurz vor Eröffnung der Sitzung habe ich mich über eine ganz ähnliche Sache unterhalten. Auch sie ist charakteristisch für den Verfall der altehrwürdigen Traditionen unseres Staatswesens und für die Sittenlosigkeit der Beamten, in deren Händen die Lenkung des Staatswesens liegt. In den vergangenen Jahren hat der ehrwürdige Senat, dem die größten Männer Roms angehören, nicht nur an Macht, sondern auch an Ansehen als wichtigste Institution des römischen Staates eingebüßt. Wir - die größten Männer Roms - dürfen nicht mehr den Weg bestimmen, den Rom geht. Wir - die größten Männer Roms - dienern uns dem Volk an - aber das Volk ist wankelmütig, ungebildet, habgierig und gedankenlos, und seine Politiker sind bestenfalls vergnügungssüchtige Amateure! Wir haben uns daran gewöhnt, daß das Volk uns demütigt! Wir - die größten Männer Roms - werden mißachtet! Unsere Weisheit, unsere Erfahrung, die Leistungen unserer Familien über viele Generationen seit Gründung der Republik - all das gilt nichts mehr. Nur das Volk ist noch wichtig. Ich aber sage euch, Senatoren: Das Volk taugt nicht dazu, Rom zuregieren!«
    Scaurus drehte sich zu dem offenen Portal der Curia um und rief in Richtung des Versammlungsplatzes: »Welcher Teil des Volkes führt denn in der Volksversammlung das große Wort? Männer der Zweiten und Dritten und sogar Vierten Klasse - kleine, ehrgeizige Ritter, die Rom führen wollen wie ihre Geschäfte, Ladenbesitzer und Kleinbauern, sogar Handwerker, die expandiert haben und regelrechte Ladenketten besitzen, wie ich in einem Geschäft für Skulpturen angeschrieben sah! Männer, die sich Advokaten nennen, ihre Kunden aber unter einfältigen Bauern suchen müssen, und Männer, die sich Agenten nennen, ohne daß sie sagen könnten, für was! Ihre privaten Geschäfte langweilen sie, also besuchen sie die Volksversammlung und bilden sich ein, daß sie und ihre ach so geschätzten Tribus Rom besser regieren können als wir im vornehmen Senat! Sie reden uns mit lärmenden politischen Phrasen die Ohren voll und faseln davon, wie sie diesen oder jenen Volkstribunen bewirtet haben, und sie

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