MoR 01 - Die Macht und die Liebe
zwanzig? Unabhängig davon, unter wieviel Feldherrn er gedient und an wieviel verschiedenen Feldzügen er teilgenommen hat.«
Glaucia mußte von Herzen lachen. »Das klingt zu sehr nach gesundem Menschenverstand, Lucius Appuleius! Und denk an die Ritter, die so ein Gesetz verbittert. Sie könnten weniger Land pachten - von unseren geschätzten Senatoren, die in der Landwirtschaft tätig sind, ganz zu schweigen!«
»Wenn es Land in Italien wäre, würde ich sie ja verstehen«, sagte Saturninus. »Aber Inseln vor der africanischen Küste? Ich bitte dich, Gaius Servilius! Was können sie diesen Hunden bedeuten, die ihre stinkenden alten Knochen so eifersüchtig bewachen? Verglichen mit den Millionen iugera , die Gaius Marius im Namen Roms am Ubus und am Chelif und um den Tritonis-See vergeben hat - und zwar genau an die Leute, die jetzt so schreien! -, ist das doch ein Klacks!«
Glaucia verdrehte seine langbewimperten graugrünen Augen, legte sich auf den Rücken, wedelte mit den Händen wie eine gestrandete Seeschildkröte mit den Flossen und begann wieder zu lachen. »Trotzdem hat mir Scaurus’ Rede am besten gefallen. Scaurus ist ein kluger Bursche. Die übrigen Senatoren sind unwichtig, abgesehen von dem Einfluß, den sie haben.« Er hob den Kopf und starrte Saturninus an. »Bist du für morgen im Senat gerüstet?«
»Ich denke doch«, sagte Saturninus aufgeräumt. »Lucius Appuleius kommt in den Senat zurück! Und diesmal können sie mich nicht rausschmeißen, bevor meine Amtszeit abgelaufen ist! Dazu müßten sie schon die fünfunddreißig Tribus bemühen, und das werden sie schön bleiben lassen. Ob es den Senatoren gefällt oder nicht, ich kehre in ihre geheiligten Hallen zurück, angriffslustig wie ein Wespe - und genauso frech.«
Saturninus betrat den Senat, als gehörte er ihm. Er verbeugte sich tief vor dem Senatsvorsitzenden Scaurus und grüßte mit der Hand nach rechts und links. Die Curia war fast voll besetzt, sicheres Zeichen einer bevorstehenden Redeschlacht. Dabei war der Ausgang nicht weiter wichtig, wie Saturninus wußte, denn der eigentliche Kampf würde außerhalb der Curia entschieden werden, auf dem Versammlungsplatz der Komitien. Aber heute war ein Tag persönlicher Genugtuung für ihn: Der in Ungnade gefallene Getreidequästor hatte sich zum Volkstribunen gewandelt, eine wahrhaft bittere Überraschung für die einflußreichen Konservativen.
Saturninus hatte sich für seine Rede vor dem Senat eine neue Strategie zurechtgelegt, die er später auch vor der Versammlung der Plebs anwenden wollte. Dies war sozusagen der Probelauf.
»Die Macht Roms ist schon seit langem nicht mehr auf Italien beschränkt«, begann er. »Wir alle wissen, was für Sorgen König Jugurtha Rom bereitet hat. Wir alle sind unserem verehrten Konsul Gaius Marius auf ewig dankbar, daß er den Krieg in Africa so erfolgreich beendet hat - und endgültig. Aber wie können wir in Rom heute künftigen Generationen garantieren, daß sie die Früchte, die unsere Provinzen bringen, auch weiterhin in Frieden genießen können? Wir haben im Umgang mit den Sitten und Gebräuchen der nichtrömischen Völker unserer Provinzen eine Tradition entwickelt: Sie dürfen weiterhin frei ihre Religion ausüben, sie dürfen wie bisher Handel treiben und ihre politische Organisation beibehalten, vorausgesetzt, sie behindern oder bedrohen Rom dadurch nicht. Aber eine der weniger erfreulichen Nebenwirkungen dieser Tradition der Nichteinmischung ist die Ignoranz unserer Provinzen. Keine Provinz, die weiter weg ist als Gallia Cisalpina oder Sizilien, weiß genug von Rom und den Römern, daß sie es aufgrund dieses Wissens vorzieht, mit Rom zusammenzuarbeiten, anstatt Rom Widerstand zu leisten. Wenn die Numider uns besser gekannt hätten, hätte Jugurtha sie nie überreden können, ihm zu folgen. Wenn das Volk von Mauretanien uns besser gekannt hätte, hätte Jugurtha König Bocchus nie überreden können, sich ihm anzuschließen.«
Saturninus räusperte sich. Noch hörten die Senatoren ihm friedlich zu - aber er war auch noch nicht bei seinem eigentlichen Thema angelangt. Dazu kam er jetzt: »Das bringt mich zum ager Africanus insularum . Strategisch gesehen besitzen diese Inseln kaum Bedeutung. Sie sind klein. Keiner von uns hier wird sie vermissen. Es gibt dort weder Gold noch Silber noch Eisen noch exotische Gewürze. Der Boden ist nicht besonders fruchtbar, verglichen mit dem sagenhaften Reichtum des Landes am Bagradas, wo eine ganze
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