MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Reihe der hier Versammelten und viele Ritter der Ersten Klasse Getreidefelder besitzen. Warum sollten wir die Inseln also nicht den Proletariern des Gaius Marius geben, wenn sie aus der Armee ausscheiden? Wollen wir wirklich, daß vierzigtausend Veteranen die Tavernen und Gassen Roms unsicher machen? Ohne Arbeit, ohne Ziel und ohne Geld, wenn sie ihren kleinen Anteil an der Beute aufgebraucht haben? Ist es nicht für sie - und für Rom - besser, wenn sie auf dem ager Africanus insularum siedeln? Denn, eingeschriebene Väter, dort können sie auch als Veteranen noch eine Aufgabe erfüllen! Sie können Rom nach Africa tragen! Unsere Sprache, unsere Sitten, unsere Götter, unsere ganze Lebensweise! Durch unsere tapferen, lebenslustigen römischen Legionäre können die Völker unserer Provinz Africa Rom besser kennenlernen, denn die Legionäre sind Menschen wie sie - nicht reicher, nicht intelligenter, nicht besser gestellt als die meisten Einheimischen. Sie werden mit ihnen im täglichen Leben verkehren, und einige werden einheimische Frauen heiraten. Alle werden sich verbrüdern. Und das Ergebnis ist weniger Krieg und mehr Frieden.«
Saturninus hatte nüchtern und überzeugend gesprochen, ohne die bombastischen Sätze und Gesten der kleinasiatischen Rhetorik. Je länger er redete, desto mehr begann er zu glauben, daß die sturen, elitären Senatoren endlich einsehen würden, in was für eine glorreiche Zukunft die Vision von Männern wie Gaius Marius und ihm selbst ihr geliebtes Rom führen würde.
Auch als er zu seinem Platz am Ende der Tribunenbank zurückkehrte, spürte er in dem Schweigen um ihn nichts, was diesen Eindruck widerlegt hätte. Bis ihm plötzlich bewußt wurde, daß die Senatoren nur warteten. Darauf warteten, daß ihre Anführer ihnen den Weg zeigten. Schafe waren sie, Schafe allesamt. Dümmliche, wollige Schafe mit erbsengroßen Gehirnen.
»Darf ich?« fragte der pontifex maximus Lucius Caecilius Metellus Delmaticus den zweiten Konsul Gaius Flavius Fimbria, der die Sitzung leitete.
Fimbria nickte. »Du hast das Wort, Lucius Caecilius.«
Delmaticus stand auf. Sein Zorn, bis dahin gut verborgen, flammte auf wie Zunder. »Rom ist einzigartig!« tobte er so laut, daß mehrere Zuhörer zusammenfuhren. »Wie kann jemand, der die Ehre hat, diesem hohen Hause anzugehören, sich erdreisten, einen Plan vorzuschlagen, der den Rest der Welt zu einer Imitation Roms machen würde?«
Delmaticus’ sonst zur Schau getragene vornehme Herablassung war verschwunden. Er schwoll an und wurde puterrot, bis die dunklen Äderchen auf seinen feisten, rosigen Backen sich nicht mehr von den Backen selbst abhoben. Und er zitterte, vibrierte fast so schnell wie die Flügel einer Motte, so wütend war er. Gebannt und erschrocken beugten sich die Senatoren vor, um einen Delmaticus zu hören, den sie bisher noch nie erlebt hatten.
»Wir kennen diesen Römer doch, eingeschriebene Väter«, schmetterte er. »Lucius Appuleius Saturninus ist ein Dieb, der sich schamlos an Hungersnöten bereichert, ein vulgäres Weib, das kleine Jungen verführt und nach seiner Schwester und seiner kleinen Tochter lüstet, eine Marionette in den Händen des arpinischen Marionettenspielers in Gallia Transalpina, eine Küchenschabe, die aus der stinkenden Gosse Roms gekrochen ist, ein Zuhälter, eine Tunte, Verfasser geiler Schriften und der vulgärste Bock der Stadt! Was weiß er von Rom, was weiß sein Meister, der Bauer aus Arpinum, von Rom? Rom ist einzigartig! Man darf Rom nicht der Welt zum Fraß vorwerfen, wie man in die Kloake scheißt oder in die Gosse spuckt! Sollen wir zusehen, wie unser Blut durch die Verbindung mit den Lotterweibern eines kunterbunten Völkergemischs verdünnt und verdorben wird? Sollen unsere Ohren künftig bei Reisen in ferne Länder durch das Kauderwelsch eines verderbten Lateins beleidigt werden? Ich sage: Laßt sie weiterhin Griechisch sprechen! Laßt sie ihren Serapis vom Skrotum verehren, ihre Astarte vom Anus anbeten! Was schadet es uns? Aber sollen wir ihnen etwa Quirinus geben? Wer sind denn die Quiriten, die Kinder des Quirinus? Wir allein! Denn wer ist Quirinus? Nur ein Römer kann das wissen! Quirinus ist der Geist der römischen Bürgerschaft, der Gott der Gemeinschaft der Römer; unbesiegt, weil Rom nie besiegt wurde - und nie besiegt werden wird, Quiriten!«
In der Curia brach ein wilder Beifallssturm los. Während der pontifex maximus zu seinem Stuhl zurückwankte und darauf niedersank, kam es zu
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