MoR 01 - Die Macht und die Liebe
tatsächlich keinerlei Gemeinsamkeit.
Saturninus war das egal. Er war mit den meisten Stimmen ins Amt gewählt worden, dicht gefolgt von Gaius Norbanus. Das hatte den Konservativen gezeigt, daß Gaius Marius beim Volk nach wie vor beliebt war - und daß er keine Kosten gescheut hatte, Stimmen für Saturninus und Norbanus zu kaufen. Jetzt mußten Saturninus und Norbanus schnell arbeiten, denn das Interesse der Volksversammlung an der Politik ließ nach den ersten drei Monaten des Jahres rapide nach. Das lag teilweise daran, daß das Volk sich langweilte, teilweise daran, daß kein Volkstribun sein Tempo länger als drei Monate durchhielt. Ein Volkstribun verbrauchte sich früh, wie der Hase in der Fabel des Äsop, während die alte Schildkröte des Senats langsam, aber stetig vorwärtskroch.
»Sie werden nur die Staubwolke sehen, die ich aufwirble«, sagte Saturninus zu Glaucia, als der zehnte Tag des Monats Dezember näherrückte, der Tag, an dem die neuen Tribunen ihr Amt antreten sollten.
»Was kommt als erstes?« fragte Glaucia träge. Er war etwas verärgert darüber, daß er als der ältere der beiden noch keine Gelegenheit gehabt hatte, Volkstribun zu werden.
Saturninus grinste wölfisch. »Ein kleines Ackergesetz, das meinem Freund und Wohltäter Gaius Marius helfen wird.«
Saturninus plante sein Vorgehen sorgfältig. Er stellte in der Volksversammlung in einer glänzenden Rede ein neues Gesetz vor, das vorsah, den ager Africanus insularum zu verteilen, der von Lucius Marcius Philippus im Vorjahr den öffentlichen Ländereien zugeschlagen und für das Volk »gespart« worden war. Das Land sollte unter den Proletariern von Marius’ Armee aufgeteilt werden, wenn sie aus dem Dienst in den Legionen ausschieden, hundert iugera für jeden Soldaten. Saturninus genoß die Aufregung um sein Gesetz in vollen Zügen - das begeisterte Geschrei des Volkes, das entrüstete Geheul der Senatoren, die Faust, die Lucius Cotta schüttelte, und die starke, ungeschminkte Rede, mit der Gaius Norbanus seine Vorlage unterstützte.
»Ich hätte nie gedacht, daß das Tribunat so interessant sein kann«, sagte er, als er und Glaucia nach Auflösung der contio , der beratenden Volksversammlung, allein in Glaucias Haus speisten. »Du hast den Senatoren ganz schön eingeheizt.« Glaucia grinste bei der Erinnerung an den Tumult. »Ich dachte schon, Metellus Numidicus würde platzen.«
»Schade, daß er nicht geplatzt ist.« Saturninus legte sich zufrieden zurück und ließ die Augen nachdenklich über die Decke schweifen, auf die der Rauch der Lampen und Kohlenbecken rußige Muster gemalt hatte und die dringend neu gestrichen werden mußte. »Seltsam, wie sie denken, was? Du brauchst das Wort ›Ackergesetz‹ nur zu flüstern, und schon fallen sie über dich her, schreien etwas von den Gracchen und sind ganz entsetzt bei der Vorstellung, umsonst etwas an Männer abgeben zu müssen, die nicht den Grips haben, selbst zu Vermögen zu kommen. Auch die Proletarier geben nicht gern umsonst etwas weg!«
»Der Plan ist für alle rechtdenkenden Römer ja auch ziemlich neu«, warf Glaucia ein.
»Und als sie dann darüber weg waren, haben sie sich über die Größe der Parzellen aufgeregt - zehnmal so groß wie ein kleiner Bauernhof in der Campania, haben sie gejammert. Ich hätte gedacht, sie wüßten selber, daß eine Insel in der Kleinen Syrte nicht einmal ein Zehntel so fruchtbar ist wie das unfruchtbarste Land in der Campania, und daß der Regen dort nicht einmal ein Zehntel so häufig fällt.«
»Aber eigentlich ging die Diskussion doch darum, daß Gaius Marius dadurch viele Tausende neuer Klienten bekommt, nicht wahr? Da drückt die Senatoren doch in Wirklichkeit der Schuh. Jeder aus dem Dienst ausgeschiedene Veteran einer Proletarierarmee ist ein potentieller Klient seines Feldherrn - vor allem, wenn der ihm ein Stück Land beschafft, auf dem er seine alten Tage verbringen kann. Ihm ist er dankbar! Er sieht nicht, daß der Staat, der das Land ja auftreiben muß, sein eigentlicher Wohltäter ist. Er bedankt sich nur bei seinem Feldherrn. Er bedankt sich bei Gaius Marius. Darüber sind die Senatoren so entrüstet.«
»Stimmt. Aber dagegen zu kämpfen, ist keine Antwort, Gaius Servilius. Die Antwort ist, ein allgemeines Gesetz zu beschließen, das für alle Zeiten die Ansprüche proletarischer Legionäre regelt: zehn iugera gutes Land für jeden Soldaten, der lange genug in den Legionen gedient hat - sagen wir fünfzehn Jahre? Oder
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