MoR 01 - Die Macht und die Liebe
locken, und genug Platz, um die Falle zuschnappen zu lassen.«
»Und warum erklärt das niemand Quintus Lutatius?« flüsterte Scaurus.
»Weil er eben ein halsstarriger Konsul ist«, sagte Sulla. »Er will nichts hören und hat nur blödsinnige Ideen im Kopf. Aber das ist ein non sequitur - Gaius Marius hätte man so etwas gar nicht zu sagen brauchen! Nein, Marcus Aemilius, unser Feldherr Quintus Lutatius Catulus Caesar hält es für das beste, hier so zu kämpfen wie die Spartaner bei den Thermopylen. Und wenn du in Geschichte aufgepaßt hast, dann weißt du, daß damals ein einziger winziger Fußpfad ausreichte, um Leonidas zu erledigen.«
Der junge Scaurus schluckte heftig. »Entschuldigt mich bitte!« rief er und stürzte auf sein Zelt zu. Sulla und Petreius blickten ihm nach.
»Das hier ist kein Heer, das ist eine Katastrophe!« sagte Petreius.
»Nein, es ist ein gutes kleines Heer«, widersprach Sulla. »Nur die Führung ist eine Katastrophe.«
»Dich ausgenommen, Lucius Cornelius.«
»Richtig.«
»Du hast dir etwas überlegt«, sagte Petreius.
»Ebenfalls richtig.« Sulla lächelte und entblößte dabei seine bemerkenswerten Eckzähne.
»Darf ich fragen, was?«
»Fragen darfst du, Gnaeus Petreius. Aber ich werde dir erst, sagen wir - heute abend antworten. Auf dem Sammelplatz deiner eigenen samnitischen Legion«, sagte Sulla. »Wir beide werden den Rest des Nachmittags damit verbringen, jeden einzelnen primipilus und führenden Zenturio einer Kohorte zu einem kleinen Treffen bei Anbruch der Dunkelheit einzuladen.« Er rechnete leise nach. »Es werden ungefähr siebzig Mann sein. Aber siebzig Mann, die eine wichtige Rolle spielen. Fang gleich damit an, Gnaeus Petreius! Du übernimmst die drei Legionen auf dieser Talseite, und ich setze mich auf mein treues Maultier und übernehme die Legionen, die flußabwärts lagern.«
Noch am selben Tag kamen die Kimbern an. Die Krieger ergossen sich nördlich des Lagers der sechs Legionen des Catulus Caesar in das Tal, sie waren ihren Wagen weit vorausgeeilt und hielten erst an, als sie die Befestigungsanlagen des römischen Lagers vor sich sahen. Unruhig standen sie nun dort, während die Nachricht wie ein Lauffeuer durch das römische Lager raste und ein paar Neugierige sich in nördlicher Richtung bis an die römische Brustwehr wagten. Voller Entsetzen erblickten sie mehr Germanen, als jemals zuvor ein Römer gesehen hatte - lauter furchteinflößende Riesen.
Sullas Versammlung auf dem Appellplatz der samnitischen Legion dauerte nicht sehr lange. Bald folgten die Teilnehmer des Treffens Sulla über die Brücke in das Dorf Tridentum, wo Catulus Caesar sein Hauptquartier im Haus des örtlichen Magistrats aufgeschlagen hatte. Catulus Caesar hatte seine Offiziere zusammengerufen, um mit ihnen die Lage nach dem Eintreffen der Kimbern zu besprechen, und beschwerte sich gerade über die Abwesenheit seines Stellvertreters, als Sulla den überfüllten Raum betrat.
»Ich schätze Pünktlichkeit, Lucius Cornelius«, sagte Catulus Caesar eisig. »Setz dich bitte, damit wir endlich über unseren Angriff morgen sprechen können.«
»Es tut mir leid, aber ich habe keine Zeit, mich zu setzen«, sagte Sulla. Er trug keine Rüstung, sondern nur sein ledernes Unterkleid und seinen pteryges , doch er hatte Schwert und Messer umgeschnallt.
»Wenn du Wichtigeres zu tun hast, dann geh bitte gleich!« Catulus Caesars Gesicht lief rot an.
»Oh, ich brauche nicht wegzugehen«, sagte Sulla lächelnd. »Die wichtigen Dinge, die ich zu tun habe, muß ich hier in diesem Raum tun. Das Allerwichtigste dabei ist, daß es morgen keine Schlacht geben wird, Quintus Lutatius.«
Catulus Caesar sprang auf. »Keine Schlacht? Warum nicht?«
»Weil das hier eine Meuterei ist, und ich bin der Anstifter.« Sulla zog sein Schwert. »Herein, centuriones !« rief er. »Es ist zwar eng hier drin, aber es wird schon gehen.«
Keiner der Anwesenden sprach auch nur ein Wort, Catulus Caesar war stumm vor Wut, die übrigen Offiziere waren verwirrt oder erleichtert - nicht alle Mitglieder des Feldstabes hatten den Plan gutgeheißen, am nächsten Morgen anzugreifen. Siebzig Zenturionen drängten sich durch die Tür und gruppierten sich dicht um Sulla, in höchstens einem Meter Abstand von Catulus Caesars Stab. Der Feldherr und seine Offiziere standen buchstäblich mit dem Rücken an der Wand.
»Dafür wird man dich vom Tarpeischen Felsen hinunterwerfen!« sagte Catulus Caesar.
»Ich bin bereit«, sagte
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