Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
Lutatius«, sagte Sulla liebenswürdig. »Du hättest mir befohlen, wieder an meine Arbeit zu gehen. Ich mußte dir eine Lektion erteilen.«
    Catulus Caesar preßte die Lippen zusammen, stumm blickte er vor sich hin. Er war ein gutaussehender Mann aus adeliger Familie, mit blondem Haar und blauen Augen, sein Stolz dürstete nach einem Kampf. »Du hast zu lange unter Gaius Marius gedient«, sagte er schließlich. »Dein Verhalten entspricht nicht deiner patrizischen Abstammung.«
    Sulla schlug mit der Hand so heftig gegen seinen Lederschurz, daß die Fransen und Metallverzierungen klapperten. »Oh, ihr Götter! Hör jetzt bitte auf mit diesem Geschwätz über Abstammung und Familie, Quintus Lutatius! Es hängt mir zum Hals heraus, dieses Gerede über Auserwähltheit! Und bevor du jetzt über unseren Oberbefehlshaber zu schimpfen anfängst, sage ich dir, daß Gaius Marius uns alle in den Schatten stellt, wenn es um Feldzüge und Heeresführung geht. Er steht so hoch über uns wie der Leuchtturm von Alexandria über einer Kerze! Du bist ebensowenig ein geborener Heerführer wie ich! Aber ich habe dir gegenüber den Vorteil, daß ich meine Erleuchtung diesem Mann verdanke, und deshalb brennt meine Kerze heller als deine!«
    »Dieser Mann wird überschätzt!« zischte Catulus Caesar durch die Zähne.
    »Oh nein, ganz und gar nicht! Du kannst noch so laut meckern und bellen, Quintus Lutatius, aber Gaius Marius ist der Erste Mann in Rom! Dieser Mann aus Arpinum hat euch alle mit einer Hand erledigt!«
    »Es überrascht mich, daß du ihm so treu ergeben bist - aber ich versichere dir, Lucius Cornelius, daß ich das niemals vergessen werde.«
    »Das kann ich mir denken«, erwiderte Sulla grimmig.
    »Ich gebe dir einen guten Rat, Lucius Cornelius: Wechsle in den nächsten Jahren die Fronten«, sagte Catulus Caesar. »Wenn du das nicht schaffst, wirst du niemals Prätor, geschweige denn Konsul!«
    »Oh, wie ich diese nackten Drohungen liebe!« sagte Sulla. »Wen willst du jetzt wieder zum Narren halten? Ich habe die richtige Abstammung. Wenn die Zeit kommt und du denkst, daß es vorteilhaft für dich wäre, mich zu umwerben, dann wirst du mich umwerben!« Er blickte Catulus Caesar listig an. »Eines Tages werde ich der Erste Mann in Rom sein. Der höchste Baum der Welt, genau wie jetzt Gaius Marius. Und die allerhöchsten Bäume kann niemand mehr fällen. Wenn sie stürzen, dann deshalb, weil sie von innen her verfault waren.«
    Catulus Caesar schwieg. Sulla warf sich in einen Stuhl und goß Wein in einen Becher.
    »Kommen wir jetzt noch einmal auf die Meuterei zurück, Quintus Lutatius. Falls du glaubst, daß mir der Mut fehlt, die Sache bis zum bitteren Ende durchzuziehen, dann irrst du dich.«
    »Ich gebe zu, daß ich dich kaum kenne, Lucius Cornelius. Aber in den letzten Monaten habe ich begriffen, daß du fast alles tun würdest, um deinen Willen durchzusetzen«, sagte Catulus Caesar. Er blickte nachdenklich auf seinen eisernen Senatorenring, als erwarte er von dort eine Erleuchtung. »Ich habe gesagt, und ich sage es noch einmal, daß wir nicht mehr von Meuterei reden wollen.« Er schluckte hörbar. »Ich werde mich an die Entscheidung des Heeres halten und den Rückzug anordnen. Unter einer Bedingung: daß niemand das Wort ›Meuterei‹ jemals wieder erwähnt.«
    »Ich versichere es dir im Namen des Heeres«, sagte Sulla.
    »Ich möchte den Rückzug persönlich ankündigen. Danach - ich nehme an, daß du dir bereits eine Strategie ausgedacht hast?«
    »Es ist unbedingt notwendig, daß du den Rückzug persönlich befiehlst, Quintus Lutatius. Auch den Männern gegenüber, die draußen auf uns warten«, sagte Sulla. »Ja, ich habe mir eine Strategie ausgedacht. Eine sehr einfache Strategie. In der Morgendämmerung wird das Heer die Zelte abbrechen und so schnell wie möglich abmarschieren. Das ganze Heer muß bis morgen abend den Fluß überquert haben und südlich von Tridentum stehen. Die samnitische Legion liegt unmittelbar neben der Brücke, deshalb wird sie den Übergang bewachen. Ich muß sofort mit unseren Ingenieuren reden, denn sobald der letzte Mann am anderen Ufer ist, muß die Brücke zerstört werden. Leider ruht sie auf Steinpfeilern, und die können wir nicht wegschaffen. Die Germanen werden die Brücke also wieder aufbauen können. Aber sie sind keine Brückenbauer, sie werden dafür viel mehr Zeit brauchen als wir, und vielleicht bricht ihr Bau ein paarmal zusammen, wenn Boiorix seine Leute darüberführt.

Weitere Kostenlose Bücher