MoR 01 - Die Macht und die Liebe
hat, selbst wenn die besser sind. Dieser Haß im Senat! Und ständig diese dummen Zwischenrufe! Ich bin schon erschöpft, bevor ich überhaupt angefangen habe. Ich bin zu alt, ich werde mich nicht mehr ändern, und ich kann mich nicht mehr mit solchen Leuten abgeben, Julia. Das sind doch alles Idioten! Wenn sie weiter so tun, als hätte sich seit Scipio Africanus’ Kindheit nichts geändert, werden sie die Republik zugrunde richten. Meine Veteranensiedlungen sind eine so gute Idee!«
»Ja, gewiß.« sagte Julia, bemüht, ihre Bestürzung zu verbergen. Marius sah angegriffen aus in diesen Tagen, älter als er war, statt jünger. Er bekam einen Bauch, bisher war er immer schlank und muskulös gewesen. Aber jetzt mußte er ja dauernd in Versammlungen herumsitzen, statt sich unter freiem Himmel bewegen zu können. Sein Haar war ergraut und dünn geworden. Kriege führen bekam dem Körper eines Mannes sichtlich besser als Gesetze machen! »Gaius Marius, hör auf damit und erzähl mir, worum es geht!« beharrte sie.
»Dieser zweite Gesetzentwurf enthält eine zusätzliche Klausel, die sich Glaucia extra dafür ausgedacht hat.« Marius fing wieder an, im Zimmer hin und her zu laufen. Die Worte purzelten jetzt aus seinem Mund. »Wenn das Gesetz beschlossen ist, muß jeder Senator innerhalb von fünf Tagen einen Eid schwören, daß dieses Gesetz für immer gültig bleiben wird.«
Unwillkürlich schnappte Julia nach Luft, schlug die Hände vors Gesicht und blickte Marius entsetzt an. Dann sagte sie das stärkste Wort, das in ihrem Wortschatz vorkam: » Ecastor !«
»Das ist ein Schock, nicht wahr?«
»Oh, Gaius Marius, das werden sie dir nie verzeihen, wenn du diese Klausel in das Gesetz einfügst!«
»Meinst du, ich wüßte das nicht?« rief Marius aus. Hilflos streckte er die Hände zur Decke. »Aber was soll ich sonst tun? Ich muß das Land haben!«
Julia fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen »Du wirst noch viele Jahre im Senat sitzen«, sagte sie. »Kannst du nicht einfach weiter darum kämpfen, daß das Gesetz erhalten bleibt?«
»Weiterkämpfen? Wann soll das je aufhören?« fragte er. »Ich habe das Kämpfen satt, Julia!«
Mit gespieltem Spott versuchte Julia ihn aufzuheitern. »Pah! Gaius Marius hat das Kämpfen satt? Du hast dein Leben lang gekämpft!«
»Aber nicht diese Art von Kampf.« Marius suchte nach Worten. »Das ist ein schmutziger Kampf. Es gibt keine Regeln. Du weißt nicht einmal, wer - geschweige denn wo! - deine Feinde sind. Auf dem Schlachtfeld, jederzeit! Aber der Senat von Rom ist ein Bordell, dort findest du die gemeinsten Kreaturen, die niedrigsten Verhaltensweisen. In diesem Schleim krieche ich Tag für Tag! Ach Julia, glaube mir, ich würde lieber bis zum Hals in Blut auf dem Schlachtfeld waten! Und wenn jemand immer noch so naiv ist und glaubt, daß der Krieg mehr Menschenleben kostet als die politische Intrige, dann hat er verdient, was die Politik mit ihm macht.«
Julia stand auf und ging zu ihm. Sie zwang ihn stehenzubleiben und hielt seine beiden Hände fest. »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, mein Geliebter, aber für einen Mann wie dich, der so geradeheraus spricht, ist die politische Bühne nicht der richtige Ort.«
»Wenn ich es bisher nicht gewußt habe, kann jetzt zumindest kein Zweifel mehr daran bestehen«, sagte Marius düster. »Wahrscheinlich wird es auf Glaucias verfluchte Spezialklausel mit dem Schwur hinauslaufen. Aber hat Publius Rutilius nicht recht, wenn er mich immer fragt, wo uns all diese neuartigen Gesetze hinführen werden? Setzen wir wirklich etwas Gutes an die Stelle von etwas Schlechtem? Oder machen wir alles nur noch schlechter?«
»Das kann nur die Zeit entscheiden«, erwiderte sie ruhig. »Was auch geschieht, Gaius Marius, vergiß nicht, daß es immer große Schwierigkeiten beim Regieren gibt, daß die Leute immer umherlaufen und mit düsterer Miene verkünden, dieses neue Gesetz oder jenes bedeute das Ende der Republik, Rom sei nicht mehr Rom und so weiter! Ich weiß aus meinen Büchern, daß Scipio Africanus das über Cato den Zensor gesagt hat! Und irgendein früherer Julius Caesar wird es sicherlich über Brutus gesagt haben, als der vor vielen hundert Jahren seine Söhne umbringen ließ! Die Republik ist unzerstörbar, das wissen alle, auch wenn sie lauthals das Ende der Republik beklagen. Das mußt du dir immer vor Augen halten.«
Ihr gesunder Menschenverstand beruhigte ihn schließlich. Befriedigt registrierte Julia, daß
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