MoR 01 - Die Macht und die Liebe
prachtvollen Blumensträuße. Alle vier bis fünf Tage schickt er einen neuen Strauß vorbei. Und besucht meine Frau. Er freut sich so auf unser Baby, daß ich manchmal ins Grübeln komme.«
»Hör auf, Gaius Julius!« sagte Aurelia lachend.
»Wer ist er?« fragte Rutilius Rufus.
»Er ist Hausmeister oder so etwas Ähnliches bei der Bruderschaft an der Kreuzung, die Aurelia mietfrei beherbergen muß«, sagte Caesar.
»Lucius Decumius und ich haben eine Abmachung getroffen«, sagte Aurelia und schnappte sich dabei die Rosine, die sich Caesar gerade in den Mund stecken wollte.
»Was für eine Abmachung?« fragte Rutilius Rufus.
»Es geht darum, wo er seinen Beruf ausübt, nämlich überall, nur nicht in meiner Nachbarschaft.«
»Was für einen Beruf?«
»Er ist ein Mörder«, sagte Aurelia.
Als Saturninus das zweite Ackergesetz einbrachte, löste die Klausel, die von jedem Senator einen Eid verlangte, einen Sturm der Entrüstung auf dem Forum aus. Die Formel schlug ein wie ein Blitz des Jupiters, mehr noch, wie das verheerende Donnern der alten Götter, der wahren, gesichtslosen Götter, der numina . Nicht nur, daß jeder Senator den Eid schwören mußte, nein, der Schwur sollte nach Appuleius’ Gesetz auch nicht wie üblich im Tempel des Saturn abgelegt werden, sondern unter freiem Himmel, in dem nach oben offenen Tempel des Semo Sancus Dius Fidius auf dem unteren Quirinal. Nur eine Statue der Gaia Caecilia, der Gattin des Königs Tarquinius Priscus aus der Frühzeit von Rom, gab der Wohnstätte des gesichtslosen Gottes ohne Mythologie einen menschlichen Rahmen. Und nicht auf den Namen der großen Gottheiten des Kapitols sollte der Eid geschworen werden, sondern auf die kleinen, gesichtslosen numina , die wahren Götter Roms: auf die Di Penates Publici, die Hüter der öffentlichen Schätze und Vorräte, auf die Lares Praestites, die Hüter des Staates, und auf Vesta, die Hüterin des Herdes. Niemand wußte, wie diese Götter aussahen, wo sie herkamen, welches Geschlecht sie hatten, ob sie überhaupt ein Geschlecht hatten. Aber sie waren da. Und sie waren wichtig. Sie waren römisch. Sie waren die öffentlichen Vertreter der ganz privaten Götter, der Hausgötter, dieser wichtigsten römischen Tradition. Kein Römer konnte einen Eid auf den Namen dieser Götter je brechen, denn Auflösung seiner Familie, Untergang seines Hauses, Zerfall seines Besitzes wären die sichere Folge gewesen.
Aber Glaucia mit seinem unerschütterlichen Glauben an die Gesetze wollte nicht nur auf die namenlose Angst vor den namenlosen Göttern vertrauen. Er setzte eine menschliche Strafe fest, die verhindern sollte, daß sich ein Senator dem Eid entzog: Wasser und Feuer sollten in ganz Italien demjenigen verboten werden, der den Eid verweigerte, er müßte zwanzig Talente in Silber bezahlen und würde alle seine Bürgerrechte verlieren.
»Das Problem ist, daß wir noch nicht schnell genug waren und nicht weit genug gegangen sind«, sagte Metellus Numidicus zu Catulus Caesar, dem pontifex maximus Ahenobarbus, Metellus dem Ferkel, zu Scaurus, Lucius Cotta und seinem Onkel Marcus Cotta. »Das Volk ist noch nicht bereit, Gaius Marius fallen zu lassen. Das Gesetz wird in dieser Form durchkommen. Und wir werden schwören müssen.« Er zitterte. »Und wenn ich schwöre, muß ich mich an meinen Eid halten.«
»Dann darf dieses Gesetz nicht durchkommen«, sagte Ahenobarbus.
»Kein Volkstribun wird es wagen, sein Veto einzulegen«, sagte Marcus Cotta.
»Dann müssen wir eben mit religiösen Argumenten dagegen ankämpfen.« Scaurus warf Ahenobarbus vieldeutige Blicke zu. »Unsere Gegner haben die Religion ins Spiel gebracht, also gibt es keinen Grund, warum wir das nicht auch tun sollten.«
»Ich glaube, ich weiß schon, was du willst«, sagte Ahenobarbus.
»Nun, ich nicht«, sagte Lucius Cotta.
»Am Tag der Abstimmung über das Gesetz müssen die Auguren die göttlichen Zeichen prüfen, damit alle sicher sein können, daß die Versammlung nicht gegen göttliches Gesetz verstößt. Ja, und wir werden dafür sorgen, daß die Zeichen Unheil verheißen«, sagte Ahenobarbus. »Wir werden so lange unheilträchtige Zeichen sehen, bis einer unserer Volkstribunen den Mut findet, sein Veto aus religiösen Gründen einzulegen. Damit ist das Gesetz erledigt. Das Volk hat solche Dinge schnell satt.«
Der Plan wurde in die Tat umgesetzt. Die Auguren erklärten, die Zeichen würden Unheil verkünden. Unglücklicherweise war aber Lucius
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