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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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schreibt uns vor, einen Schwur darauf zu leisten, daß wir es einhalten werden. Darüber müssen wir heute sprechen. Heute ist der letzte Tag, an dem wir schwören können, daß wir uns an dieses Gesetz halten werden. Vordringlich ist die Frage des Schwurs. Und am heutigen Tage ist das Gesetz gültig, um das es hier geht. Also müssen wir schworen.«
    Er machte ein paar hastige Schritte, stieß fast an das Podium, drehte sich um und schritt langsam zu den Türen, dort wandte er sich wieder beiden Seiten des Senats zu. »Heute, Senatoren, werden wir alle einen Eid ablegen. Der unmißverständliche Wille des Volkes von Rom schreibt es uns vor. Das Volk von Rom macht die Gesetze! Wir, die Senatoren, sind nur seine Diener. Darum - schwören wir. Es darf uns nichts ausmachen, Senatoren! Wenn irgendwann in der Zukunft die Versammlung der Plebs das Gesetz überprüft und für ungültig erklärt, sind wir von unserem Schwur wieder entbunden.« Seine Stimme klang siegesgewiß. »Das müssen wir begreifen! Jeder Schwur auf ein Gesetz bleibt nur so lange bindend, wie das Gesetz Gesetz bleibt. Wenn das Volk beschließt, das Gesetz zu annullieren, ist auch unser Schwur nicht mehr bindend.«
    Scaurus, der Senatsvorsitzende, nickte vielsagend, gleichmäßig hob und senkte er den Kopf. Für Marius sah es so aus, als würde er jedem seiner Worte zustimmen. Aber Scaurus nickte aus einem anderen Grund so vielsagend und gleichmäßig. Während er mit dem Kopf nickte, sprach er leise zu Metellus Numidicus. »Wir haben ihn, Quintus Caecilius! Wir haben ihn endlich! Er muß klein beigeben. Er hat es nicht durchgehalten. Wir haben ihn gezwungen, vor dem ganzen Senat zuzugeben, daß es Zweifel gibt, ob Appuleius’ Gesetz gültig ist. Wir haben den schlauen Fuchs aus Arpinum in der Falle!«
    Marius war in Hochstimmung, weil er ganz sicher glaubte, den Senat hinter sich zu haben. So schritt er in großem Ernst zurück zum Podium, stieg hinauf und stand vor seinem mit Einlegearbeiten aus Elfenbein verzierten Amtsschemel. Er kam zum Schluß. »Ich werde als erster den Eid ablegen«, sagte er, ganz die Stimme der Vernunft. »Und wenn ich, Gaius Marius, euer erster Konsul der letzten vier Jahre und länger, bereit bin zu schwören, warum sollte einer von euch es nicht können? Der Tempel des Semo Sancus Dius Fidius steht uns offen. Es ist kein weiter Weg! Kommt, wer geht mit mir?«
    Ein Seufzen war zu hören, leises Gemurmel, Stühlerücken. Die Senatoren erwachten aus ihrer Erstarrung. Die ersten Hinterbänkler erhoben sich langsam von ihren Stühlen.
    »Eine Frage, Gaius Marius«, sagte Scaurus.
    Es wurde wieder still im Senat. Marius nickte.
    »Ich wüßte gerne deine persönliche Meinung, Gaius Marius. Nicht deine offizielle Meinung. Einfach deine persönliche Meinung.«
    »Wenn dir etwas an meiner persönlichen Meinung liegt, Marcus Aemilius, sollst du sie natürlich erfahren. Worum geht es?« sagte Marius.
    »Was denkst du persönlich?« fragte Scaurus. Seine Stimme war bis in den letzten Winkel des Raumes zu vernehmen. »Ist das zweite Ackergesetz des Appuleius gültig oder nicht?«
    Stille. Totenstille. Alle hielten den Atem an. Auch Gaius Marius. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, in den gähnenden Abgrund zu blicken, an dessen Rand ihn seine vorschnelle Siegesgewißheit geführt hatte, er konnte gar nicht atmen.
    »Soll ich die Frage wiederholen, Gaius Marius?« fragte Scaurus zuckersüß.
    Marius führ sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Wohin gehen, was tun? Jetzt bist du ausgerutscht, Gaius Marius. In eine Grube gefallen, aus der du nicht mehr herausklettern kannst. Warum habe ich nicht vorausgesehen, daß diese Frage kommen mußte? Daß der einzige hier, der ein Gehirn im Kopf hat, sie stellen mußte? Hat mich auf einmal meine eigene Schlauheit geblendet? Die Frage mußte kommen! Und ich habe nicht ein einziges Mal daran gedacht. Nicht ein einziges Mal in diesen drei ewig langen Tagen.
    Nun, ich habe keine Wahl. Scaurus hat mich am Schwanz gepackt, und ich muß nach seiner Pfeife tanzen. Er hat mich zur Strecke gebracht. Weil ich keine Wahl habe. Jetzt stehe ich hier und muß diesem hohen Haus erzählen, daß ich persönlich das Gesetz für ungültig halte. Sonst wird keiner schwören. Ich habe sie glauben gemacht, daß es Zweifel an der Gültigkeit gibt. Ich habe angedeutet, daß deshalb der Schwur leicht fallen müßte. Wenn ich einen Rückzieher mache, habe ich sie verloren. Aber wenn ich sage, daß ich

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