MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Appuleius Saturninus selbst Augur - eine kleine Entschädigung für die falschen Beschuldigungen in Ostia -, und Saturninus deutete die Zeichen ganz anders.
»Das ist ein Trick!« brüllte er die Plebejer auf dem Versammlungsplatz an. »Seht sie euch an! Alle sind sie Handlanger derer, die im Senat die Fäden ziehen! An den Zeichen ist nichts auszusetzen - auf diesem Wege soll die Macht des Volkes gebrochen werden! Wir wissen es alle: Der Senatsvorsitzende Scaurus, Metellus Numidicus und Catulus wollen unsere Soldaten um ihren gerechten Lohn bringen, dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Und dies hier beweist, daß sie wirklich vor nichts zurückscheuen! Sie haben absichtlich den Willen der Götter mißdeutet!«
Das Volk glaubte Saturninus, der darüber hinaus so umsichtig gewesen war, seine Gladiatoren unter die Menge zu mischen. Als ein Volkstribun einen zaghaften Versuch machte, sein Veto einzulegen - die Zeichen seien unheilträchtig, er habe schon Donner gehört, ein Gesetz, das an diesem Tag verabschiedet würde, sei nefas , ein Sakrileg -, schlugen die Gladiatoren zu. Während Saturninus mit schallender Stimme verkündete, daß er dieses Veto nicht zulassen werde, rissen seine Muskelmänner den glücklosen Volkstribunen von der Rednerbühne, stießen ihn den Clivus Argentarius hinauf bis zu den Lautumiae und hielten ihn dort fest, bis die Versammlung aufgehoben war. Das zweite Landreformgesetz stand schließlich zur Abstimmung, und sämtliche Tribus stimmten dafür, denn die ungewöhnliche Schwurformel stachelte die Neugier der regelmäßigen Besucher des Forums an: Was würde passieren, wenn dieses Gesetz verabschiedet war? Wer würde es verhindern wollen? Wie würde der Senat reagieren? So etwas durfte man nicht verpassen! Das Volk wartete gespannt.
Am Tag nach der Verabschiedung des Gesetzes erhob sich Metellus Numidicus im Senat und kündigte feierlich an, daß er den Eid nicht schwören werde.
»Mein Gewissen, meine Prinzipien, ja mein ganzes Leben hängen an dieser Entscheidung!« rief er donnernd. »Ich werde die Strafe bezahlen, ich werde in die Verbannung nach Rhodos gehen. Denn ich werde nicht schwören. Hört ihr mich, Senatoren? Ich - werde - nicht - schwören! Ich könnte niemals etwas schwören, gegen das sich mein Innerstes so hartnäckig sträubt. Wann wird ein Eid zum Meineid? Was ist das schlimmere Verbrechen - den Eid schwören, ein Gesetz zu hüten, das ich grundsätzlich ablehne, oder einen solchen Eid nicht zu schwören? Diese Entscheidung müßt ihr alle für euch allein treffen. Meine Entscheidung ist gefallen. Der Schwur wäre das größere Verbrechen. So wisse, Lucius Appuleius Saturninus, und auch du, Gaius Marius: Ich - werde - nicht - schwören! Ich habe mich entschieden, die Strafe zu bezahlen und ins Exil zu gehen.«
Seine Rede machte großen Eindruck, denn alle Anwesenden spürten, daß es ihm ernst war. Marius’ Augenbrauen trafen sich über der Nase. Saturninus fletschte die Zähne. Ein Gemurmel hob an, Zweifel und Unzufriedenheit quälten, nagten und verschafften sich immer lauter Gehör.
»Sie wollen Schwierigkeiten machen«, flüsterte Glaucia, dessen Amtsschemel ganz nahe neben dem von Marius stand.
»Wenn ich die Versammlung nicht schließe, werden sich noch alle weigern, den Eid zu schwören«, murmelte Marius. Er erhob sich und entließ die Versammlung. »Ich möchte euch eindringlichst bitten, nach Hause zu gehen und drei Tage lang über die sehr ernsten Folgen nachzudenken, die es hätte, wenn ihr den Eid nicht schwört. Für Quintus Caecilius ist es leicht - er hat genug Geld, um die Strafe zu bezahlen und sich in der Verbannung behaglich einzurichten. Aber wie viele sonst von euch können das sagen? Geht nach Hause, Senatoren, und überlegt es euch gut. Ihr habt drei Tage Zeit. Am vierten Tage von heute an gerechnet wird sich der Senat wieder versammeln. Bis dahin müßt ihr euch entscheiden. Vergeßt nicht, daß das zweite Ackergesetz des Appuleius eine zeitliche Beschränkung enthält.«
So kannst du doch nicht mit ihnen reden! sagte sich Marius. Er lief unruhig in seinem großen, schönen Haus unterhalb des Tempels der Juno Moneta hin und her, Julia stand hilflos daneben. Selbst sein sonst so kecker Sohn hatte sich in seinem Spielzimmer versteckt.
So kannst du einfach nicht mit ihnen reden, Gaius Marius! Sie sind keine Soldaten. Sie sind noch nicht einmal untergeordnete Offiziere, auch wenn ich Konsul bin und sie größtenteils Hinterbänkler, die
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