MoR 01 - Die Macht und die Liebe
persönlich das Gesetz für ungültig halte, bin ich verloren.
Er schaute zu den Bänken der Volkstribunen. Lucius Appuleius Saturninus saß da mit vorgebeugtem Oberkörper, zusammengeballten Händen, das Gesicht erstarrt, der Mund ein gerader Strich.
Wenn ich sage, daß ich das Gesetz für ungültig halte, werde ich diesen Mann verlieren, der so wichtig für mich ist. Und ich werde den Mann verlieren, der die besten Gesetze entwirft, die es in Rom je gegeben hat, Glaucia... Zusammen hätten wir ganz Italien in Ordnung bringen können, und wenn die konservative Clique sich noch so schlaue Untaten hätte einfallen lassen. Aber wenn ich sage, daß ich ihr Gesetz für ungültig halte, habe ich sie für immer verloren. Und doch - trotz allem - ich muß es sagen. Wenn ich es nicht sage, werden diese fellatores den Eid nicht schwören, und meine Soldaten werden ihr Land nicht bekommen. Das ist alles, was ich aus diesem Schlamassel retten kann. Das Land für meine Männer. Ich bin verloren. Denn ich habe verloren.
Als die Füße von Glaucias Elfenbeinstuhl über den Marmorboden kratzten, sprang fast die Hälfte der Senatoren auf. Glaucia betrachtete seine Nägel, mit zusammengekniffenen Lippen, ausdruckslosem Gesicht. Aber das Schweigen dauerte an, unendlich lang.
»Ich wiederhole besser meine Frage noch einmal, Gaius Marius«, sagte Scaurus. »Was denkst du persönlich? Ist dieses Gesetz gültig oder ungültig?«
»Ich meine«, Marius hielt inne, runzelte heftig die Stirn, »meine persönliche Meinung ist, daß das Gesetz ungültig sein könnte«, sagte er.
Scaurus schlug sich vernehmlich auf die Schenkel. »Danke, Gaius Marius!« Er erhob sich, wandte sich strahlend zuerst den vorderen Reihen zu, dann den Reihen gegenüber. »Nun, eingeschriebene Väter, wenn kein Geringerer als unser siegreicher Held Gaius Marius das Gesetz des Appuleius für ungültig hält, bin ich für meinen Teil gerne bereit, den Eid zu schwören.« Er verneigte sich zu Saturninus und Glaucia. »Kommt, Mitsenatoren, als euer Senatsvorsitzender schlage ich vor, daß wir alle sofort zum Tempel des Semo Sancus eilen!«
»Halt!«
Alle blieben stehen. Metellus Numidicus klatschte in die Hände. Aus der obersten Reihe, von ganz hinten, kam schwerbeladen ein Sklave, in jeder Hand einen Sack. Die Säcke waren so schwer, daß er sie über die sechs Fuß breiten Stufen schleifen mußte. Mit einem lauten Schlag fielen sie von Stufe zu Stufe. Als der Diener mit den beiden Säcken bei Metellus Numidicus angelangt war, stieg er die Treppen wieder empor und schleppte noch einmal zwei Säcke herbei. Mehrere Senatoren auf den hinteren Bänken bemerkten die Säcke, die noch an der Wand aufgetürmt waren, und winkten ihre Diener zu Hilfe. So ging die Arbeit schneller voran, bis schließlich vierzig Säcke um den Stuhl von Metellus Numidicus aufgehäuft waren. Metellus Numidicus erhob sich.
»Ich werde den Eid nicht schwören«, sagte er. »Und wenn der erste Konsul tausend- und abertausendmal versichert, daß die lex Appuleia ungültig ist, ich werde dennoch nicht schwören! Das sind zwanzig Talente in Silber, meine Strafe. Außerdem erkläre ich, daß ich morgen in der Dämmerung nach Rhodos ins Exil aufbrechen werde.«
Alle brüllten durcheinander.
»Ruhe! Ruhe! Ruhe!« schrie Scaurus, ebenso Marius.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, blickte Metellus Numidicus sich um und sprach über die Schulter ein paar Worte zu jemandem auf der hinteren Bank. »Quästor des Schatzamtes, bitte tritt vor«, sagte er.
Ein recht gutaussehender junger Mann trat vor, mit braunen Augen und braunem Haar; seine weiße Toga glänzte, jede Falte saß perfekt. Es war Quintus Caecilius Metellus das Ferkel, der Sohn von Metellus Numidicus Schweinebacke.
»Quästor des Schatzamtes, ich vertraue dir diese zwanzig Talente Silber zur Aufbewahrung an. Damit ist meine Strafe dafür bezahlt, daß ich mich weigere, den Eid auf das zweite Ackergesetz des Appuleius zu schwören«, sagte Metellus Numidicus. »Da jedoch der Senat noch versammelt ist, verlange ich, daß das Geld gezählt wird. So können die eingeschriebenen Väter sicher sein, daß nicht ein Denar der vorgeschriebenen Summe fehlt.«
»Wir verlassen uns auf dein Wort, Quintus Caecilius«, sagte Marius mit eiskaltem Lächeln.
»Nein, ich bestehe darauf!« erwiderte Metellus Numidicus. »Niemand wird sich aus der Curia entfernen, bevor das Geld nicht bis auf die letzte Münze gezählt ist.« Er hustete. »Insgesamt müßten es
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