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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Knüppel unter ihren Togen versteckt, besonders die kleine Gruppe konservativer Senatorensöhne unter Führung des jungen Caepio hatte sich gerüstet. Aber Saturninus’ Pöbel war nicht erschienen. Die Armen hatten sich in stummem Protest versammelt. Messer und Knüppel erschienen plötzlich völlig fehl am Platze.
    Einer nach dem anderen stellten sich die zwanzig Kandidaten vor, Marius beobachtete sie genau. Als erster sprach der amtierende Volkstribun Lucius Appuleius Saturninus, und die ganze riesige Menschenmenge jubelte ihm begeistert zu. Saturninus war sichtlich überrascht, wie Marius feststellte. Saturninus dachte angestrengt nach, das war deutlich von seinem Gesicht abzulesen. Was für eine Gefolgschaft für diesen einen Mann! Was wurde er alles erreichen können mit dreihunderttausend Römern, den Armen und Besitzlosen, im Rücken? Wer wurde noch den Mut aufbringen, ihn vom Amt des Volkstribunen fernzuhalten, wenn dieses Ungeheuer aus menschlichen Leibern ihn trug?
    Die anderen Kandidaten, die sich nach Saturninus vorstellten, nahm die Menge mit gleichgültigem Schweigen zur Kenntnis: Publius Funus, Quintus Pompeius Rufus aus der in Picenum ansässigen Linie der Familie, Sextus Titius aus Samnium, und der rothaarige, grauäugige und sehr vornehm wirkende Marcus Porcius Cato Salonianus, der Enkel von Cato dem Zensor, dem Bauern aus Tusculum, und Urenkel eines keltischen Sklaven.
    Als letzter erschien Lucius Equitius, der immer noch überall herumerzählte, er sei ein Bastard von Tiberius Gracchus, und den Metellus Numidicus als Zensor nicht in die Liste der Ritter hatte einschreiben wollen. Die Menge begann wieder zu jubeln, die Begeisterung machte sich in wildem Geschrei Luft. Hier stand ein Nachfahre des geliebten Tiberius Gracchus. Und Marius erkannte, wie zutreffend sein Bild von dem riesigen, sanften Stier war. Die Menge drängte sich langsam immer näher an die Rednerbühne und an Lucius Equitius heran. Die Menschen wußten nichts von ihrer Kraft. In kleinen Wellen rückten sie unaufhaltsam vor und schoben die Wähler immer dichter zusammen. Panik kam auf bei denen, die wählen wollten, sie spürten die lähmende Angst und den hilflosen Schrecken, die alle Menschen befallen, wenn sie von einer Kraft umringt sind, gegen die sie nichts ausrichten können.
    Während alle anderen wie gelähmt dastanden, trat der wirklich gelähmte Gaius Marius entschlossen vor. Mit ausgestreckten Armen zeigte er der Menge seine Handflächen, eine Geste, die »Halt! Keinen Schritt weiter!« bedeutete. Die Menge blieb sofort stehen. Der Druck ließ nach, und jetzt wurde Gaius Marius bejubelt, der Erste Mann in Rom, der dritte Gründer Roms, der Sieger über die Germanen.
    »Schnell, du Narr!« fauchte er Saturninus an. »Sag, du hast Donner gehört - oder irgend etwas anderes, warum die Versammlung aufgehoben ist! Wenn wir die Wähler nicht wegschaffen, wird die Menge sie allein durch ihre Anzahl umbringen.« Er befahl den Herolden, ihre Trompeten zu blasen. In der überraschten Stille, die darauf eintrat, hob er noch einmal die Arme. »Donner!« brüllte er. »Die Wahl findet morgen statt! Geht nach Hause, Bürger Roms! Geht nach Hause!«
    Und die Menschen gingen nach Hause.
    Glücklicherweise hatten die meisten Senatoren in der Curia Zuflucht gesucht. Dorthin folgte ihnen Marius, sobald er sich einen Weg bahnen konnte. Saturninus war, wie er bemerkte, von der Rednerbühne gestiegen und badete in der Menge. Er lachte, reckte seine Arme empor, wie einer jener seltsamen Mystiker aus Pisidien, die an das Handauflegen glaubten. Und Glaucia, der Stadtprätor? Er hatte die Rednerbühne erklommen und beobachtete mit breitem Grinsen Saturninus’ Weg durch die Menge.
    Kreidebleiche, verzerrte Gesichter wandten sich Marius zu, als er die Curia betrat.
    »Wir stecken ganz schön in der Klemme!« sagte der Senatsvorsitzende Scaurus, wie immer in aufrechter Haltung, aber auch deutlich blasser als sonst.
    Marius ließ den Blick über die Senatoren schweifen, die in Gruppen zusammenstanden, und sagte in festem Ton: »Geht nach Hause, ich bitte euch! Die Menge wird euch nichts tun, trotzdem nehmt besser den Weg über das Argiletum, auch wenn ihr in Richtung Palatin müßt. Wenn ihr euch nur über einen sehr langen Heimweg beklagen müßt, seid ihr gut weggekommen. Jetzt geht! Geht!«
    Marius klopfte ein paar Senatoren, mit denen er noch sprechen wollte, auf die Schultern. Nur Sulla, Scaurus, der Zensor Metellus Caprarius, der pontifex

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