Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
dreihundert Jahren in Italien eingefallen waren und den jungen römischen Staat beinahe ausgelöscht hatten, lebte die Halbinsel in der Furcht vor den Barbaren. Zur Abwehr von Einfällen der Barbaren hatte Gnaeus Domitius Ahenobarbus vor zehn Jahren einen befestigten Landweg zwischen Gallia Cisalpina und den spanischen Pyrenäen bauen lassen und die Stämme unterworfen, die an den Ufern der Rhone siedelten.
    Noch vor fünf Jahren hatten sich die Römer am meisten vor den barbarischen Galliern und Kelten gefürchtet, aber dann waren erstmals die Germanen auf dem Plan erschienen, und im Vergleich zu ihnen wirkten die Gallier und Kelten plötzlich zivilisiert, zahm und fügsam. Wie bei allen Schreckgespenstern wuchsen diese Ängste nicht aus dem Bekannten, sondern aus dem Unbekannten. Die Germanen waren während des Konsulats von Marcus Aemilius Scaurus aus dem Nichts aufgetaucht, hatten dem riesigen und erstklassig ausgebildeten römischen Heer eine vernichtende Niederlage beigebracht und waren dann während des Konsulats von Gnaeus Papirius Carbo wieder verschwunden, als sei nichts gewesen - geheimnisvoll und unberechenbar. Nach der verheerenden Niederlage der Römer war ganz Italien den Germanen ausgeliefert wie eine hilflose Frau in einer geplünderten Stadt, aber die Germanen hatten einfach kehrtgemacht und waren verschwunden. Warum? Kein Mensch hatte das damals begriffen. Im Laufe der Jahre legte sich die Angst wieder, die Germanen waren nur noch eine Lamia, eine Mormo, ein Kinderschreck.
    Und jetzt waren sie wieder da, wieder aus dem Nichts aufgetaucht, und strömten zu Hunderten und Tausenden nach Gallia Transalpina und überrannten die Rom tributpflichtigen gallischen Stämme. Drei Meter groß waren sie, leichenblaß, Riesen aus Legenden, Geister einer barbarischen Unterwelt. Sie stießen in das warme, fruchtbare Rhônetal vor und walzten auf ihrem Weg alles Lebendige nieder, Mann und Maus, Wald und Wiese, so unbekümmert um die Früchte des Feldes wie um die Vögel des Himmels.
    Als die Nachricht in Rom eintraf, war Konsul Quintus Caecilius Metellus mit seinem Heer gerade in der Provinz Africa gelandet. So kam es, daß Konsul Marcus Junius Silanus, den man nur deshalb in Rom behalten hatte, weil er dort am wenigsten Schaden anrichten konnte, die Stadt vor den Barbaren schützen mußte. Ein amtierender Konsul konnte nicht zugunsten eines anderen Feldherrn übergangen werden, wenn er den Krieg selbst führen wollte. Und Silanus war begeistert von der Aussicht auf einen Krieg gegen die Germanen. Wie Gnaeus Papirius Carbo fünf Jahre vor ihm, sah auch er bereits schwer mit Gold beladene germanische Wagen vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen, und nach diesem Gold gelüstete es ihn.
    In aller Eile wurden Soldaten angeworben. Oft drückten die Werbeoffiziere ein Auge zu und schrieben Männer ein, die nicht genügend Vermögen nachweisen konnten. Veteranen wurden aus ihren ländlichen Domizilen hervorgelockt - meist ohne Schwierigkeiten, denn die ländliche Muße lag Männern, die lange Jahre in der Armee gedient hatten, ganz und gar nicht.
    Schließlich war alles bereit, und Marcus Junius Silanus brach an der Spitze eines glänzenden Heeres von sieben Legionen und einer großen Reiterabteilung aus Thrakern, gemischt mit ein paar Galliern aus den ruhigen Teilen der römischen Provinz Gallien, nach Gallia Transalpina auf. Es war Ende Mai, und seit der Nachricht vom Einfall der Germanen waren erst acht Wochen verstrichen. In dieser kurzen Zeit hatte Rom ein Heer von 50 000 Mann rekrutiert, bewaffnet und teilweise ausgebildet. Nur ein so gewaltiges Schreckgespenst wie die Germanen konnte zu einer derart heroischen Leistung anspornen.
    »Das ist wieder einmal ein schlagender Beweis dafür, was wir Römer können, wenn wir nur wollen«, sagte Gaius Julius Caesar zu seiner Frau Marcia. Sie hatten zugesehen, wie die Legionen die Via Flaminia hinauf in Richtung Gallia Cisalpina abmarschiert waren. Es war ein erhebender Anblick gewesen.
    »Ja, vorausgesetzt, Silanus bewältigt seine Aufgabe«, sagte Marcia, die als echte Senatorengattin großes Interesse an Politik hatte.
    »Du glaubst nicht daran?« fragte Caesar.
    »Du ja auch nicht, du gibst es nur nicht zu. Aber als ich so viele Stiefel über den Pons Mulvius marschieren sah, war ich doch sehr froh, daß wir jetzt Marcus Aemilius Scaurus und Marcus Livius Drusus als Zensoren haben.« Marcia seufzte erleichtert. »Marcus Scaurus hat recht - die Mulvische Brücke wackelt

Weitere Kostenlose Bücher