MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Skylax machten Ferien in Cumae, und Sulla wollte seinen Erholungstag nicht allein verbringen. Also beschloß er, Clitumna und Nikopolis zu einem Picknick an seinem Lieblingsplatz außerhalb von Rom einzuladen.
»Kommt, ihr beiden Mädchen«, sagte er am Morgen des dritten sonnigen Tages zu ihnen, »zieht euch was Hübsches an, ich führe euch zu einem Picknick aus!«
Die beiden, die sich nicht im geringsten wie Mädchen fühlten, sahen ihn mit säuerlichem Spott an und machten keine Anstalten, das gemeinsame Bett zu verlassen, obwohl es nach der feuchten Nacht schweißgetränkt war.
»Ihr braucht beide dringend frische Luft«, drängte Sulla.
»Wir wohnen auf dem Palatin, weil hier oben die Luft so gut ist«, sagte Clitumna und drehte ihm den Rücken zu.
»Im Augenblick ist die Luft auf dem Palatin kein Haar besser als im übrigen Rom. Sie ist erfüllt vom Gestank der Abwasserkanäle und der feuchten Wäsche. Ich habe einen Wagen gemietet. Wir fahren Richtung Tibur hinaus und essen im Wald zu Mittag. Vielleicht können wir ein paar Fische fangen oder notfalls kaufen, oder ein dickes, fettes Kaninchen. Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder daheim, erholt und viel fröhlicher.«
»Nein«, sagte Clitumna verdrossen.
Nikopolis war unschlüssig. »Also...«
Das genügte Sulla. »Mach dich fertig, ich bin wieder da.« Er streckte sich genüßlich. »Ach, ich bin es so leid, in diesem Haus eingesperrt zu sein!«
»Ich auch«, sagte Nikopolis und kletterte aus dem Bett.
Clitumna blieb mit dem Gesicht zur Wand liegen. Sulla ging in die Küche und bestellte ein Mittagessen zum Mitnehmen.
Dann versuchte er es noch einmal bei Clitumna. »Komm doch auch mit.«
Keine Antwort.
»Dann mach, was du willst.« Er ging zur Tür. »Nikopolis und ich sind heute abend wieder da.«
Wieder keine Antwort.
Am Fuß der Cacus-Treppe erwartete sie ein offener, zweirädriger Wagen. Sulla half Nikopolis auf den Nebensitz und schwang sich selbst auf den Platz des Kutschers. »Auf geht’s!« rief er fröhlich, faßte die Zügel und spürte, wie sein Herz ungewohnt leicht wurde. Im stillen gestand er sich ein, daß er ganz gern mit Nikopolis allein war. »Hü, ihr Maultiere!« rief er.
Die Maultiere trabten munter los, und der Wagen ratterte das Tal von Murcia entlang, in dem der Circus Maximus lag. Sie verließen die Stadt durch das Capena-Tor. Leider bot sich ihren Augen zunächst ein eher uninteressanter und unerfreulicher Anblick, denn die Ringstraße, die Sulla Richtung Osten nahm, führte durch die großen Friedhöfe Roms. Grabstein reihte sich an Grabstein - nicht die eindrucksvollen Mausoleen und Grabmäler der Reichen und Hochgeborenen, die alle großen Ausfallstraßen der Stadt säumten, sondern die Grabsteine einfacher Leute. Jeder Römer und Grieche, selbst der allerärmste bis hinab zu den Sklaven, träumte davon, daß einmal ein fürstliches Grabmal Zeugnis von seiner Existenz ablegen würde. Aus diesem Grund gehörten die Armen und die Sklaven Bestattungsvereinen an und zahlten jeden Denar, den sie erübrigen konnten, in die Vereinskasse ein. Der Verein legte das Geld möglichst gewinnbringend an. Die Veruntreuung von Geldern war in Rom zwar gang und gäbe, aber die Bestattungsvereine wurden von ihren Mitgliedern derart eifersüchtig überwacht, daß den Verantwortlichen keine andere Wahl blieb, als ehrlich zu sein. Eine schöne Bestattung und ein dekoratives Grabmal waren ungeheuer wichtig.
Als der Wagen unter den Bogen des Aquädukts hindurchgerollt war, der Wasser zu den dicht besiedelten Hügeln im Nordosten der Stadt brachte, änderte sich die Aussicht. In allen Richtungen dehnte sich fruchtbares Land, zuerst Gemüsegärten, dann grüne Weiden und Weizenfelder.
Obwohl die Via Tiburtina durch die schweren Regenfälle stark beschädigt war - der Regen hatte die dicke Schicht aus Schotter, Staubtuff und Sand auf den Pflastersteinen teilweise weggespült und die Fahrt nicht sehr gemütlich verlief, waren die beiden Ausflügler bester Stimmung. Die Sonne brannte, aber es wehte ein kühles Lüftchen. Nikopolis’ Sonnenschirm schützte Sullas schneeweiße Haut ebenso wie ihren eigenen olivfarbenen Teint. Die Maultiere erwiesen sich als willig und gutmütig. Sulla trieb sie nicht zur Eile an, sondern ließ sie ihr eigenes Tempo finden, und sie trabten leichtfüßig Meile um Meile.
Es war unmöglich, den ganzen Weg nach Tibur und wieder zurück an einem einzigen Tag zurückzulegen, doch Sullas Lieblingsplatz lag
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